30.04.2008
Bald geht's los! Der letzte Arbeitstag
ist vorbei und nun heißt es husch husch Rucksäcke
packen! Mich packt der Gedanke an ein bequemes Kissen und ich
düse noch einmal in die beiden Outdoorläden am
Aegidiimarkt und hinter'm Dom - in Indien hatten die Kissen ja in etwa
einen Komfort von Holzbrettern... Im 2. Geschäft werde ich
fündig, es wird ein Therm-A-Rest Kissen mit einem
entzückenden Blümchenmuster, Gewicht 200 g,
lässt ich auf die dreifache Größe
aufschütteln, na das ist doch was!
Ich radele zurück und schaffe es gerade noch rechtzeitig vor
dem Regenguss. Nun sind es noch knapp 1,5 Stunden und ich bin immer
noch nicht so sicher, was ich mitnehmen soll und was nicht. Jetzt
bleibt nicht mehr viel Zeit, also Schluss aus. Rucksack zu!
Die langersehnte Urlaubsreise beginnt!!!
Chris und Hermann bringen uns (ich erlaube mir abermals, das
bewährte Reiseteam lubux und fisch-fasch unter dieser
Bezeichnung anzuführen) liebenswürdigerweise zum
Dortmunder Flughafen. Es fliegt an diesem Abend nur noch ein Flugzeug
nach München und eins nach Istanbul, was sich in enormer
Übersichtlichkeit und Einfachheit auszahlt. Das Germanwings
Personal hat unterdessen so viel Zeit sich um seine Passagiere zu
kümmern, dass es sich weigert, unsere Rucksäcke
entgegenzunehmen. Bitte einmal zum Sperrgepäck. Also
schön. Wir fragen uns, ob die vielen türkischen
Frauen vielleicht an diesem internationalen Spitzenflughafen als
Reinigungskräfte angestellt sind und nun mit dem letzten Flug
nach Hause pendeln, verwerfen diesen Gedanken aber im selben Moment,
denn er ist ja nur so von Klischees und Vorurteilen gespickt!
Irgendwann sitzen wir im Flugzeug, neben uns ein netter
türkischer Herr, der leider gerade eine Kiefer-OP hinter sich
hat und deshalb keinen von unseren köstlichen, aus Indras
Überraschungsreiseproviant stammenden Pussycat & Owl
Keksen kosten kann. Vor uns hockt eine sehr fürchterliche
deutsche Kleinfamilie mit entsetzlicher Spätteenietochter.
Kaum ertönt das Bing-Bing-Signal zum Abschnallen schnellen
alle drei ihre Sitze nach hinten, ganz zum Leidwesen des Jan, der seine
Beine nun unglücklicherweise nicht mehr bewegen kann. Ich kann
mich nicht daran erinnern, jemals in einem unbequemeren Flugzeug als
diesem Airbus Platz genommen zu haben, aber wer will denn da schon
wieder meckern und jammern, immerhin bringt uns der Pilot sicher und zu
einem Spottpreis auf die asiatische Seite von Istanbul und spuckt auch
unser Sperrgepäck wieder aus.
01.05.2008
Die Uhr sagt, dass es viertel vor 2 ist. Bei der Passkontrolle
verteilen freundliche Mitarbeiter des Flughafens Schokolade zur
Begrüßung, wie nett von ihnen. Voller Erwartung
verlassen wir den "nothing to declare"-Bereich. Nach unserer leidvollen
Erfahrung in Kalkutta im letzten Jahr, als wir ein Hotel gebucht hatten
und keiner etwas davon wusste und wir dann des Nachts ein Zimmer suchen
mussten, haben wir uns dieses mal bestens vorbereitet und sowohl einen
Transport vom Flughafen zum Hostel gebucht als auch die dazu
gehörige Buchungsbestätigung ausgedruckt. Ein
Doppelzimmer mit Bad, wie wunderbar!
Im Grunde habe ich schon die ganze Zeit lang im Gefühl, was
gleich geschieht. Wir treten durch die Tür, dort warten
hunderte von türkischen Männern mit Namensschildern,
nur das Schild mit der Aufschrift JAN und SANDRA ist weit und breit
nicht zu sehen. Ich bin echt ein gebranntes Kind, was das angeht. Wie
oft wurde ich schon vergessen, ups entschuldigung, kann ja mal
vorkommen.
Lange Rede, kurzer Sinn: es bewahrheitet sich meine
Befürchtung. Von unserem Hostel ist keiner da. Fragende Blicke
führen wieder einmal dazu, dass ein scheinbar hilfsbereiter
junger Mann (in diesem Moment glaube ich schon nicht mehr an
glückliche Fügungen) in die Presche springt und Jan
sein Handy in die Hand drückt, um mit dem Sinbad Hostel zu
telefonieren, dessen Nummer er rein zufällig auswendig
weiß. Nach etlichem Palaver sollen wir dann einfach mit
diesem Typen fahren, wir müssen allerdings noch ein paar
Minuten warten, bis die nächsten Flugzeuge landen. Mir
erscheint die ganze Sache nicht ganz so koscher, ich unterrichte Jan
von meiner Theorie, dass das Ganze hier ein abgekartetes Spiel ist,
vielleicht sogar eine Gaunerbande dahintersteckt...
Um nicht gänzlich in meinen Verschwörungstheorien
aufzugehen, tausche ich erstmal Geld um. Derweil fragt Jan sich bei
zwei Deutschen durch, wie wir am besten in die Stadt gelangen
könnten und zehn Minuten später hocken wir
schließlich im Nachtbus nach Taksim. Na geht doch! Von Taksim
nehmen wir ein "Taksi" nach Sultanahmed, der Fahrer rast wie ein Irrer,
stinkt nach billigstem Parfum und Alkohol, hat die Fenster aufgerissen,
mir ist kalt, ich bin müde, habe keine Lust mehr und frage
mich, warum ich keinen All-Inclusive-Urlaub mache.
Um ca. 4 Uhr kommen wir an unserem Ziel an. Als wenn das alles noch
nicht reichen würde geht der Spaß jetzt erst richtig
los. Der Taxifahrer bittet Jan auszusteigen, während ich noch
in meinem Portemonnaie nach den passenden Lirascheinen krame. Ich
reiche sie nach vorne, es scheint nicht genug zu sein, ich
öffne nochmal mein Portemonnaie, der Fahrer greift hinein, ich
bin perplex, kann so schnell gar nicht reagieren. Der Fahrer sagt nur
noch ok ok, go go go und drückt auf's Gas. Ich steige aus,
zähle die verbleibenden Scheine und krieg einen zuviel - von
den umgetauschten 50 € ist nur noch ein lächerlicher
Rest übrig.
Im Hostel erwartet man uns schon mit den Worten "you made it". Leider
wurde der von uns gebuchte Zweiraum doch nicht gebucht. Das
wäre ja auch zu schön gewesen. Stattdessen werden wir
in einen 6er Dorm verfrachtet und auf den nächsten Morgen
vertröstet. Die Hostelmitarbeiter scheinen wirklich zu
bedauern, dass die Buchung schiefgegangen ist, wir müssen die
erste Nacht nicht bezahlen. In dem Zimmer schlafen bereits vier Kerle -
keiner schnarcht, aber es stinkt. Jan reißt erstmal das
Fenster auf und ich komme gerade gar nicht mehr runter von dieser
Nummer im Taxi. Ich bin so wütend und sauer und verfluche den
ganzen Mist so sehr, dass ich Probleme habe, trotz totaler
Erschöpfung, einzuschlafen. Es fällt mir echt schwer
einzureden, dass ab jetzt ja eigentlich nix mehr schiefgehen kann und
dass alle anderen Menschen bestimmt total nett sind. Kaum gehe ich in
Gedanken noch ein letztes Mal die Situation beim Bezahlen durch und
fluche weiterhin innerlich vor mich hin, beginnt in ungefähr
100 Moscheen der Stadt der Morgengesang. Jungs, beten kommen! Es gibt
echt so Tage, an denen alles immer noch ein bißchen
beschissener werden kann!!!
Nach etwa einer Stunde Schlaf - schließlich stehen die
Mitschläfer ja auch bald auf und wühlen in ihren
Plastiktüten nach frischen Unterbuchsen - gibt es erstmal
Frühstück im Keller. Dann warten wir in der
Internet-Lounge auf unseren Umzug ins Doppelzimmer. Zwar ohne Bad, aber
dafür mit abschließbarer Tür. Gegen 11 Uhr
dürfen wir rein und packen endlich unser Gepäck aus.
Ich öffne die vordere Tasche meines Rucksacks und entnehme ein
samtenens Behältnis. Was ist das??? Ich habe es nicht da
reingepackt, geschweige denn besitze ich samtene Behältnisse!
Neugierig und verwirrt mache ich den Reißverschluss auf und
entnehme - Achtung! - ein Schminkset von Chanel!!! Wie zur
Hölle kommt das in meinen Rucksack? Hatte der Taxifahrer
vielleicht ein schlechtes Gewissen und ist zurückgekehrt? Nach
all diesen Rätseln müssen wir uns jetzt echt mal 'ne
Mütze Schlaf holen - und pünktlich wird wieder
lauthals gesungen...
Es gelingt uns trotz alledem, ein Stündchen komplett
abzuschalten. Mit neugetankter Energie stürzen wir uns ins
Ungewisse und laufen als erstes der blauen Moschee über den
Weg, die überhaupt nirgendwo blau ist. Wir treten ein und sind
einigermaßen beeindruckt. Wir treten aus und landen in einem
Spielfilm mit tanzenden Derwischen. Anschließend laufen wir
noch ein Weilchen durch die Gäßchen und
Sträßchen und holen unsere Zugtickets im
Reisebüro ab (sie sind wirklich da!). Derweil kracht noch die
eine Seite des Trageguts von Jans Fototasche ab und ich versaue meine
Jeans mit roter Farbe. Gen Abend finden wir uns am Ufer der Maramameers
ein. Dort gibt es ein Open Air Fitness-Studion, wo wir ein wenig
Workout betreiben und uns wahnsinnig für Istanbul zu
begeistern beginnen (was allerdings rein äußerlich
noch nicht zu beobachten ist).
Der Tag endet in einem netten kleinen Restaurant und die Welt ist
wieder in Ordnung. Bis zum nächsten Morgen...
02.05.2008
... denn da sollen wir erstmal wieder zack zack unsere Sachen packen,
weil wir nun doch unser ursprünglich gebuchtes Doppelzimmer
mit Bad kriegen. Ende gut, alles gut. Heute ist für uns
Basar-Tag. Ziel des Tages: wir brauchen glaubhafte Eheringe, um im
weiteren Verlauf unserer Reise keinen Streß zu bekommen.
Bereits im ersten Schmuckgeschäft werden wir fündig.
Ich behaupte, das liegt einzig und allein an der Tatsache, dass hier
ein Mann mit dabei war (hallo Jan :-).
Kurze Zeit später durchqueren wir den gigantischen "Grand
Bazaar" - ich liebe Märkte so sehr!!! Und wenn sie auch noch
so prachtvoll gestaltet sind wie dieser hier, z.B. hängen
überall Flachbildschirme mit goldenen Rahmen, dann bin ich
glückselig. Es herrscht ein reges Treiben, unzählige
Goldgeschäfte säumen die kühlen Gassen,
alles ist bunt und wunderbar. Zum Glück ist alles so
dermaßen kitschig oder aber zur Weiterreise viel zu sperrig,
sodass ich mt einem Armreif und einem Baderöckchen davon
komme.
Unser nächstes Ziel ist der Bosporus, der Europa und Asien in
zwei Stücke teilt. Wir nehmen eine Fähre auf die
andere Seite und bestaunen unzählige Moscheen und deren
Minarette, die in den Himmel hinaufragen. In Asien angekommen kracht
der zweite Bügel von Jans Fototasche ab. Sofort kommt uns ein
besorgter Mann entgegengelaufen und repariert daraufhin völlig
selbstverständlich und ohne auch nur eine türkische
Lira dafür zu verlangen die kaputten Tragegurte. Wir laufen zu
dem Bahnhof, an dem wir am Sonntag unseren Zug in Richtung Syrien
nehmen wollen. Ein schöner, beschaulicher Bahnhof!
Wir nehmen das nächste Schiff zurück auf die
europäische Seite und betreten den nächsten Markt,
den äqyptischen Spice Bazaar. Hier sieht es genauso aus, wie
ich es mir eigentlich in Indien vorgestellt hätte, wo es aber
nirgendwo so aussah. Und schwuppdiwupp ist schon wieder ein ganzer Tag
vorbei. Er endet mit einer Fast-Tragödie: Unser Hostel hat
eine Dachterrasse. Da es regnet und gewittert, ist es dort oben nicht
so angenehm, trotzdem bietet sich ein feiner Blick über die
Stadt. Jan entdeckt einen umgefallenen Sonnenschirm, stellt ihn auf uns
sich drunter. Ich folge ihm, wir lauschen den zahlreichen
Gesängen der Muezzins und entschließen uns, wieder
reinzugehen. Plötzlich kommt Wind auf und ehe wir's kapieren
segelt der Sonnenschirm in Zeitlupentempo gen Geländer und
dann weiter nach unten. Oha! Sekunden des Schreckens! Wenn da mal nicht
jemand unten entlang gelaufen oder gefahren ist... Zum Glück
nicht... nicht auszudenken...
PS: Wir sind heute morgen NICHT aufgewacht von den Gesängen!
03.05.2008
Wir schaffen es zum dritten mal in Folge zu spät zum
Frühstück zu erscheinen, mit dem feinen Unterschied,
dass wir heute morgen nicht noch einmal das Zimmer wechseln
müssen. Das Frühstück besteht aus drei
Oliven, Schmierkäse, Sauerkirschgelee, der eine honigartige
Konsistenz aufweist, Bütterchen und jeder Menge Baguette. Dazu
ein türkischer Tee und wir sind startklar für einen
neuen und letzten Tag und Istanbul.
Jan schlägt vor, nach Taksim zu fahren, das gefällt
mir ganz gut, denn dort gibt es einen Turm, den ich gerne erklimmen
möchte. Doch halt! Zunächst wagen wir einen dritten
Versuch, die Hagia Sofia zu besichtigen. Am Tag 1 war sie bereits
verschlossen, am Tag 2 vor lauter Touristen kaum zu sehen. Diesmal
haben wir Glück: wir müssen nur kurz anstehen und
dürfen dann durch Metalldetektoren hineinspazieren. Innen
bietet sich ein ganz ähnliches Bild wir am Tag 2. Man sieht
vor lauter Menschen die Moschee nicht mehr. Also husch husch weiter
nach Taksim. Dort waren wir ja schon mal nachts... diesmal nutzen wir
die öffentlichen Verkehrsmittel bzw. gehen auf dem
Rückweg ganz zu Fuß und kommen ungemein
günstiger davon! Taksim entpuppt sich als Shoppingmeile und da
Samstag ist erinnert es mich in Anbetracht der
Menschenanhäufung an die Kölner Innenstadt.
Wir schlendern ein Weilchen die Istiklal (= Unabhängigkeit)
Cadde (=Straße) entlang und ich kaufe mir ein paar
syriengeeignete Kleidungsstücke, also Miniröcke und
Spaghettitops, in Syrien isses ja a bisserl wärmer als bei den
Türken, gell! Und da ich ja jetzt auch ein tolles
Chanel-Schminkset besitze, brauche ich natürlich die
entsprechende Kleidung dazu. Zum Glück gibt es im Shop meiner
Wahl bequeme Ledersessel, in denen sich mein Begleiter relativ
zufrieden zurücklehnen kann. Als ich meine Wahl getroffen
habe, zahle ich mit der goldenen Kredit äh EC-Karte und wir
setzen unsere Erkundungstour fort. Vorbei an der Musikstraße,
in der es nur Musikinstrumente und Zubehör zu kaufen gibt -
hier schlägt Jan erstmal so richtig zu:
Keyboardständer, eine Mandoline und einen Verstärker
nennt er nun sein Eigen. Das wird dann jetzt zwar mit dem Transport
etwas umständlich, aber kein Problem.
Ein Stückchen weiter entdecken wir den Turm und reihen uns die
Anstehschlange ein. Glücklicherweise gibt es einen Aufzug. Der
Turm allerdings ist klein, die Zahl der Menschen auf ihm
groß, sodass es ein reines Aneinandervorbeigequetsche wird.
Aufgrund der riesengroßen japanischen Damenreisegruppe, die
geschlossen im Turmaussichtsbereichseingang herumtippelt und die enorm
wichtige Botschaft "Please turn right" versperrt, gehen Jan und ich
falsch herum und schämen uns ganz arg, als wir diesen
ektlatanten Fehler am Ende unseres Turmrundgangs herausfinden. Die
Aussicht ist, erhascht man dann mal einen Blick, sehr schön.
Nach dieser Prozedur haben wir uns erstmal einen Snack verdient. Wir
kaufen uns Käseböreks sowie Ayran, kriegen noch eine
rote leckere Paste im Salatblatt dazu und picknicken glücklich
und zufrieden am Goldenen Horn - Fantastischer Ausblick!
Istanbul ist wirklich eine wunderschöne Stadt. Es ist wohl
auch die Stadt der 100.000 Katzen. Nach dem Picknick machen wir uns auf
die Suche nach einem Süpermarket. Eigentlich suchen wir schon
seit drei Tagen einen... Morgen machen wir uns schließlich
auf eine ca. 30stündige Zugfahrt, da sollte es an einer
gewissen Portion Proviant nicht mangeln. Letztlich finden wir sogar
zwei Supermärkte und decken uns mit allerhand
Ülker-Keksen, Äpfeln und Käse ein. Nun kann
ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. Bis auf den Verlust meines einen
von 3 Paar Socken geht auch nichts mehr schief! WIr verbringen den
restlichen Nachmittag noch chillend auf einer Wiese am Marmarameer,
trainieren ein wenig im Open Air Fitness-Studio und laufen noch ein
letztes Mal an der blauen Moschee vorbei. Da sie noch geöffnet
hat und ich einen Schal trage, gehen wir auch nochmal hinein. Ein
Türke spricht uns in perfektem Bayrisch an :-)
Derweil erfreuen auch wir die Türken mit unseren paar Brocken
Türkisch.
Die Frage, die uns schon den ganzen Tag umtreibt, ist immer noch nicht
hinreichend beantwortet. Wir steigen morgen in einen Zug, der uns durch
die ganze Türkei bis nach Syrien, genau Aleppo bringen wird.
Da wir jedoch von der syrischen Botschaft nur ein Visum für 15
Tage erhalten haben, wir aber bis zum Abflugtag noch 18 Tage
bräuchten, stehen wir vor folgender Frage:
Steigen wir in der Südtürkei aus dem Zug aus, fahren
noch 3 Tage ans Meer und dann nach Syrien odre fahren wir einfach
direkt nach Aleppo und kümmern uns vor Ort um das
Visumproblem?
Im Internet haben wir herausgefunden, dass es in Iskenderun auf alle
Fälle Busse nach Syrien gibt, eine Strandpromenade mit vielen
Palmen, günstige Hotels aber auch viele US-Soldaten. Der Zug
hält in Osmaniye, von dort fahren Minibusse nach Iskenderun in
ca. 1-1,5 Stunden. Soweit so gut. Doch in jedem Reisebüro will
man uns lieber Touren nach Antalya, Ankara etc. verkaufen.
Über Iskenderun ist nichts herauszufinden. Auch in den
Reiseführern, die wir in zahlreichen Buchhandlungen
durchblättern ist Iskenderun nicht einmal erwähnt.
Ich stelle mir vor, dass zwei Rucksackreisende ein deutsches
Reisebüro à la Thomas Cook betreten und fragen, ob
denn Busse von Oer-Erkenschwick nach Dorsten fahren und ob es in
Dorsten vielleicht auch ein Hostel gibt. Denen würde ich ja
auch vorschlagen, eher nach Köln oder Münster zu
fahren!!!
Mal sehen, wofür wir uns letztendlich entscheiden werden.
04.05.2008
In Istanbul gibt es unzählige Sitzgelegenheiten,
Bänke und Parks und das will heißen: da ist nicht
nur eine Bank alle paar hundert Meter, nein, wir haben sogar eine
komplette Fläche von der Größe eines
Handballfeldes nur mit Bänken bestückt gesehen! Ich
persönlich finde das toll. Hat man keine Lust mehr, durch die
Gegend zu latschen, kann man auf der Stelle ordentlich chillen. Daher
fordere ich: mehr öffentliche Sitzgelegenheiten für
Deutschland!
Weiter im Tagesgeschehen: da wir Schnellduscher, Schnellpacker und
schnell fertig sind, können wir entspannt den Weg zur
Tramstation stiefeln. Istanbul ist ganz schön bergig, aber zu
dieser Tageszeit, 7.30 Uhr etwa, noch frei von Touristenmassen,
Straßenverkehr und Schuhkartons oder ähnlichen
Warenlieferungen, die komplette Straßenzühe
blockieren und die einem das Leben als Fußgänger
ganz schön erschweren. Die Istanbuler müssen im
Übrigen auch ziemlich lange Waden haben, wenn man so die
Höhe der Bordsteine betrachtet.
Nach wenigen Minuten Tramfahren erreichen wir Eminönü
und damit das goldene Horn, an dem die Fähren zur asiatischen
Seite übersetzen. Kaum sind wir an Bord, geht die Fahrt auch
schon los und wir erreichen den Bahnhof Haydarpasa, der
glücklicherweise gleich am Bosporus liegt, eine Stunde vor
planmäßiger Abfahrt. Jan erspäht sogleich
unseren Zug. Wir haben schon vor einigen Wochen im Internet oder besser
online bei einem türkischen Reisebüro die Tickets
für diesen Zug gekauft. Da wir uns ja sonst nichts
gönnen, werden wir in einem Zweierschlafwagen - ein ehemaliger
Zug der deutschen Bahn - die Reise durch die Türkei antreten.
Ich bin ganz aus dem Häuschen, Jan frönt ein wenig
seiner Reisenervosität und bleibt im Zug sitzen,
während ich uns Proviant für die Reise besorge.
Um Punkt 8.55 Uhr fahren wir los, und zwar in einem Tempo, das kaum von
einer deutschen Regionalbahn unterboten werden kann. Wir halten an
jedem türkischen Furzel-Bahnhof, also etwa alle drei Minuten.
In unserem Sleeper-Abteil sind ausschließlich "westliche"
Reisende, wir sind der letzte Waggon und hermetisch vom Rest des Zuges
abgetrennt, kein türkischer Verkäufer kommt auch nur
in die Nähe unseres Abteils, was ich ein wenig schade finde.
Vom Aspekt der Sicherheit her natürlich 1 A. Niemals habe ich
mich je in einem Zug sicherer gefühlt als hier! Uns ist sogar
ein eigener Schaffner zugeteilt, der stets um unser Wohl
bemüht ist und uns zur Begrüßung mit
Süßigkeiten beglückt. So zuckeln wir durch
die Türkei, mal dösen wir, mal schlafen wir, mal
lösen wir Kreuzworträtsel und mal versuchen wir
herauszufinden, wo wir sind. Oft ist das gar nicht so einfach, denn der
Zug hält meistens so, dass wir in unserem
Ausländerabteil erst gar nicht mit dem Bahnhof in
Berührung kommen.
Des Abends wird Jan von einer kleinen Krise heimgesucht, denn
mittlerweile ist es fast beschlossene Sache, dass wir den Zug gegen
6.30 Uhr (planmäßige Ankunftszeit) in Osmaniye
verlassen werden. Dieser Einfall stößt beim
Zugpersonal auf großes Unverständnis und
Kopfschütteln. Es werden mehrere Versuche unternommen, uns von
diesem Vorhaben abzubringen. Jans Zweifel werden dadurch nicht gerade
weniger...
Die Nacht bricht über uns herein und wir schlafen
dafür, dass wir in einem schaukelnden, dafür aber
nicht hupenden, rülpsenden, furzenden, stinkenden sondern
bloß leicht übertrieben beheizten Zug liegen,
erstaunlich gut und lange. Ein kleiner Zwischenfall - es gab einen
kräftigen Ruck - lässt mich laut "Scheiße"
rufen und Jan aufwachen. Meine Brille, die am Rand hing, ist in eine
Ritze gefallen und ohne sehe ich ja nichts mehr!!! Leichte Panik kommt
auf, aber Jan greift todesmutig in den Spalt und fischt die Brille
wieder raus.
05.05.2008
Am nächsten Morgen stellen wir rasch fest, dass wir mindestens
drei Stunden Verspätung eingefahren haben (wie ist das bei dem
Schneckentempo überhaupt möglich, lieber
Toros-Express???) und getrost nochmal die Augen verschließen
können. Im Laufe des Vormittags kommen mehrere Bahnbeamte
vorbei, um uns erneut von unserem Vorhaben, bald auszusteigen,
abzubringen, doch wir bleiben hart, packen unsere 7 Sachen und lassen
uns in Osmaniye die Tür aufschließen. Am Bahnhof
will uns niemand ein Taxi andrehen und kaum einer nimmt Notiz von uns.
Wir drehen uns ein wenig hilflos im Kreis und schawupp, da kommt schon
ein hilfsbereiter englischsprechender Mann auf uns zu. Als er
hört, was wir vorhaben, bricht er in schallendes
Gelächter aus. Hahaha, nach Iskenderun? Ihr seid ja
schön bescheuert, aber na gut, ich verrate Euch trotzdem mal,
wo Ihr den Busbahnhof findet.
So laufen wir den Boulevard entlang und nach 2-3 mal nachfragen
"Otogar" kommen wir auch am Minibusbahnhof an. Als erfahrene
Minibusfahrerin stelle ich mich innerlich auf einiges ein (1000
verschiedene Busse, die alle nach Iskenderun fahren, Gepäck
auf's Dach, Abfahrt erst, wenn der Bus voll und zwar richtig voll ist,
Hektik, laute Musik, Minibus rast und hupt wie bescheuert und ich muss
um mein Leben bangen etc.). Die Realität ist folgende: ich
sage 1-2 mal Iskenderun, schon sitzen wir in einem Bus und keine Minute
später fahren wir langsam und gemächlich los. Der Bus
ist halbleer und ich muss nicht um mein Leben bangen. Die Musik ist
leise, der Bus intakt, keiner riecht nach Schweiß, keiner
starrt uns an, der Fahrer schnallt sich sogar an! Eines jedoch schein
allen Minibussen gemein. Allah, Jesus, Gott oder wer auch immer
schützt auf der Heckscheibe. ALLAH KORUSUN.
In etwas weniger als einer Stunde erreichen wir auch schon unser Ziel!
Wir zeigen dem Fahrer unsere handgeschriebenen Notizen (hatte mir aus
dem Rough Guide noch ein paar Unterkünfte rausgeschrieben) und
ein weiterer freundlicher Herr, der auch im Minibus saß,
weist uns den Weg, nicht ohne uns Allahs Segen und ein paar gelbe
Früchte mit auf den Weg zu geben.
Binnen 15 Minuten erreichen wir die Straße, auf der die
Hotels sein sollen und wir bleiben gleich im ersten. Hier spricht
keiner Englisch, aber das ist ja auch kein Problem, wir können
ja immerhin noch die Schrift lesen. Nach einer erfrischenden Dusche
machen wir uns auf Entdeckungstour und spazieren eine prachtvolle
Promenade am Mittelmeer entlang. Von US-Soldaten keine Spur.
Stattdessen schließt sich uns sofort ein psychisch Kranker in
Bielefeld lebender Türke an und packt seine Lebensgeschichte
und -philosophie aus. Seit 37 Jahren lebt er nun schon in Bielefeld,
blabla... es sind nebenbei auch ein paar nützliche
Informationen aus ihm herauszufinden! Irgenwann hat er keine Lust mehr,
so weit zu laufen und wir sind wieder allein. Machen noch Halt in zwei
Cafés direkt am Meer um uns ein bißchen zu
stärken und auszuruhen und befinden uns genau in diesem Moment
in einem der unzähligen Chillrondelle in einem liebevoll
angelegten Park mit genialem Meerblick. Es könnte nicht
besser, schöner, entspannender sein. Ein erfrischender Wind
weht uns um die Nasenspitzen, der Muezzin beginnt gerade wieder zu
trällern, Jan knipst mich beim Tagebuch schreiben und ich
genieße den Augenblick.
Nachdem Jan zu einem Fotorundgang aufgebrochen ist, hat er drei kleine
Jungs im Schlepptau, mit denen wir bis es uns zu anstrengend wird
scherzen und mit Händen und Füßen versuchen
zu kommunizieren. Wir beschließen, zum Hotel
zurückzugehen, begegnen auf dem Weg jedoch einem Mann mit
vielen Brusthaaren und offenem Hemd, der uns anspricht und uns zum Tee
einlädt. Er stellt fest, dass ich nicht deutsch aussehe,
sondern eher italienisch, in Italien hat er nämlich mal
gearbeitet. Wäre Jan nicht mit dabei, hätte ich einen
relativ langweiligen Urlaub, denn schließlich hat man mich ja
in Düsseldorf auch schonmal in der Dönerbude
für eine Türkin gehalten. Da aber Lubux aka Mr.
Longhair mein stetiger Begleiter ist, sorgen wir für
kontinuierliches Aufsehen und erfreuen uns zahlreicher Kommentare,
zumeist auf Deutsch. Der schönste Spruch bislang war "wir sind
am Start und die Welt ist groß!"
Ich stelle übrigens begeistert fest, dass unser Hotel
gegenüber meines neuen türkischen
Lieblingsgeschäfts LC Waikiki liegt und kaufe mir ein Paar
Socken (Verlust in Istanbul) sowie eine neue Hose (Jeans hat ja rote
Farbflecken), während Jan fein auf dem Bett liegt und Tagebuch
schreibt.
Die letzten Aktivitäten des Tages heißen Essen
fassen, Internetten und schlafen. Morgen fahren wir nach Arsuz zum
Strand, dank der zahlreichen Konversationen mit Inskenderunnern (?)
benötigen wir keinen Reiseführer für die
dazu erforderlichen Informationen. Wir werden sehen...
06.05.2008
Die Nacht ist ruhig, ich träume wirre Geschichten (soll
beispielsweise wieder bei meinen Eltern wohnen und zwar mit meiner
Mutter in einem Zimmer?!) und verschlafe mal wieder den Morgengesang
des Muezzins, wie ist das möglich, frage ich mich? Man
könnte mir wahrscheinlich den Schädel rasieren und
das Bett unter mir abbauen, ich würde selig weiterschlafen und
wirr warr träumen. Am nächsten Morgen hat Jan wieder
seinen "ich will nicht auf die Schlachtbank aber ich muss gleich"-
Blick und ich weiß nicht, was ich machen soll. Wir
frühstücken Ayran und Früchte, die Jan
suspekt sind und checken aus. Vor unserem Hotel hält ein Bus,
der zwar nicht nach Arsuz führt, uns aber dennoch mitnimmt und
bis zur richtigen Bushaltestelle bringt. Als ich mein Portemonnaie
zücke, wird nur freundlich gelächelt und abgewinkt.
Tamam. Geld ist nicht alles.
Jetzt stehen wir also an einer anderen Bushaltestelle und potzblitz
taucht ein Minibus auf, der uns nach Arsuz transportiert. Dort
angekommen entscheiden wir uns für das zweite Hotel und Jan
kann wieder entspannt gucken, puh...
In Arsuz scheint derbe Nebensaison zu sein, wir sind die einzigen
Touristen, das Restaurant auf der wunderhübschen Dachterrasse
hat noch geschlossen, trotzdem wird uns ein Tisch mit Stühlen
bereitgestelt. Unser Zimmer hat nicht nur Balkon und Meerblick, sondern
auch Kühlschrank und Doppelbett, jippie! Wir begeben uns auf
Erkundungstour, kaufen ein paar lebenswichtige Dinge ein, entdecken den
"Menschenstrand" und schmieden eifrig Pläne, die da lauten:
Strand, Chillout und chillen, dreimal chillen. Genau das wird getan!
Der Strand ist kostenpflichtig, dafür aber auch mit allen
Schnickschnacks ausgestattet, die ein Mensch so braucht. Sonnenschirme
für die empfindliche Haut, Stühle und Liegen,
Umkleidekabinen, WCs und Duschen und Nudeln, jippie ya yeah! Nudeln
sind überdimensional spaghettiförmige
Schaumstoffelemente, mit denen man sowohl in Hallenbädern als
auch im mediterranen Gewässer großen Spaß
haben oder sich auch aquafitnessmäßig
ertüchtigen kann.
Das Mittelmeer ist hier in Arsuz nicht so warm, wie man sich das so
vorstellt, aber längst nicht so kalt wie die Nordsee im
Oktober. Wir sind - mal abgesehen von einem weiteren,
türkischen Pärchen - die einzigen Gäste
dieses charmanten Badestrandes. Nachdem wir uns jeweils ein
Cornetto-Eis gönnen scheint das Eis gebrochen und die
freundliche Dame, die - wie fast alle hier - deutsch spricht, bringt
uns einen leckeren Happen zu essen, einfach mal so und kurze Zeit
später gibt es auch noch zwei Tassen Tee auf's Haus. So viel
Gastfreundschaft ist mir schon fast wieder unangenehm, wenn ich
darüber nachdenke, wie wir in Deutschland so mit unseren
Gästen umgehen...
Arsuz ist auf alle Fälle ein sehr toller Ferienort und ich bin
froh, dass die syrische Botschaft uns nur ein 15-Tage-Visum erteilt
hat. Just in diesem Momente sitzen wir mit der untergehenden Sonne auf
der Dachterrasse, versuchen mit Hilfe unseres Langenscheidt-
Wörterbüchleins den Satz mit den meisten ü
der Welt zu konstruieren, trinken ein türkisches Efes Bier und
warten darauf, dass der Muezzin anfängt zu singen. Diesmal ist
das Minarett mitsamt Lautsprechern quasi genau vor unserer Nase bzw.
auf unserem Balkon. Mal sehen, ob ich es schaffe, selbst das zu
verschlafen!
Stop, halt, bevor mir der Schlaf vergönnt ist, wollen wir noch
eine Kleinigkeit zu Abend essen. Ein Flüßchen
fließt durch Arsuz und an ihm befindet sich ein sehr
schönes, aber menschenleeres Restaurant. Wir nehmen Platz am
schönsten Tisch, den es gibt und werden daraufhin kurzerhand
in die Küche gebeten. Dort wird die Tiefkühltruhe
geöffnet und wir haben die freie Wahl zwischen toten Fischen
oder Huhnstücken. Ohne Fleisch gibt's nix, schade. Wir gehen
weiter, es gibt viele kleine Restaurants am Rand, aber entweder sind
sie geschlossen, oder es ist außer einem
Dönerspieß nichts zu erkennen.
Nach ein paar hundert Metern erscheinen Lichterketten am Horizont. Wir
beschließen, noch genau bis dorthin zu gehen und erreichen
das Caprice Café & Nargile auf der Emniyet 3 Sokak.
Ein freundliches Mädel empfängt uns, ich stelle die
obligatorische Frage nach dem fleischlosen Essen und sie bejaht
strahlend, zeigt uns im Mönü die vegetarischen
Speisen und führt uns zum Tisch unserer Wahl. Das Restaurant
befindet sich auf einer Terrasse, überall sind sehr bunte
stilvoll hergerichtete Sofasitzgruppen und wir entscheiden uns spontan
für die orange.
Da sitzen wir schön bequem, Jan will Pomfrits bestellen und
ich ein Käsetoast. Als keiner kommt, um eine Bestellung
aufzunehmen, ahnen wir es schon: in der Küche werden soeben
sämtliche vegetarische Speisen zubereitet, die denkbar sind,
damit die Gäste sich freuen können. Und richtig: als
erstes kommt ein Vorspeisenteller, Öl mit Gemüse
äh angegrilltes Gemüse mit Brot, dann folgen zwei
Teller Pommes und noch zwei Megakäsesandwiches. Wir bestellen
zwei Wasser dazu und kriegen 1,5 Liter... Als wir aufgegessen haben,
kommt der erste, kurz danach der zweite Tee. Wir sind bereits kurz
davor zu platzen und sehen nur noch eine Möglichkeit, dieser
herzergreifenden Fürsorge und Freundlichkeit sowie weiteren
Tassen Tee zu entkommen: die Rechnung bitte bitte bitte. Am Ende
unseres Türkeiaufenthalts gelingt Jan auch endlich die
korrekte Aussprache von "die Rechnung bitte". Statt hesap
lütfen sagte er stets helap lütfen, was soviel wie
"einen Abort bitte" bedeutet. Nun erklären sich auch endlich
die verständnislosen Blicke der Kellner...
Wir sollen eine lächerlich kleine Summe hinblättern,
geben ein ordentliches Trinkgeld und schon läuft der
sympathische Herr des Hauses erneut in die Küche. Die Tochter
kommt freudestrahlend mit einem Berg Obst und Herzschälchen
für die Obstkerne zurück. Wir deuten auf unsere
vollen Bäuche und drücken noch ein paar
Höflichkeitsfrüchte rein. Jetzt sind wir so dick und
voll, dass wir uns nicht mehr bewegen können. Wo soll das noch
alles hinführen?
07.05.2008
Zunächst führt es dahin, dass ich
tatsächlich den Morgengesang des Muezzins wieder verpenne. Als
ich aufwache, hängt über den Bergen schon ein
Gewitter, hoffentlich zieht es vorüber! Das
Frühstück, welches im Hotelpreis inbegriffen ist,
steht dem gestrigen Abendessen in nichts nach und muss durch einen
Verdauungsspaziergang kompensiert werden. Wir schaffen es gerade noch
rechtzeitig vor dem großen Regen zurück in unsere
Straße, statten dem Internet einen Besuch ab und finden uns
damit ab, dass wohl aus einem weiteren chilligen Strandtag nicths mehr
wird, schade eigentlich. Stattdessen steigen wir in den
nächsten Minibus zurück nach Iskenderun, tauschen
noch ein wenig Geld um, versuchen herauszufinden, an welchem Otogar die
Busse Richtung Syrien fahren und trinken noch einen Tee am Meer - die
Sonne scheint wieder! Was die Weiterreise nach Syrien betrifft, so gibt
es bloß ab Antakya direkte Verbindungen, aber auch das werden
wir wohl irgendwie hinkriegen. Im Migros-Supermarkt :-) besorgen wir
uns noch ein paar Snacks für's Abendessen und fahren
zurück nach Arsuz.
Die beiden Hauptdarsteller des Reiseberichts werden von einer Krise
heimgesucht - nicht nur werden sie enttäuscht, dass auf ARD
Frauenfußball statt der Vorabendserien läuft,
sondern scheint das Wetter in Deutschland deutlich besser zu sein als
bei ihnen. Die wahren Gründe der Krise liegen an der extremen
Reisenervosität einerseits und an der Verzweiflung genau
darüber andererseits... Weitere Erläuterungen
wären an dieser Stelle zu komplex, nicht relevant und
außerdem fehl am Platz.
07.05.2008
Die Nacht ist für meinen Teil wieder völlig störungsfrei und ich frage mich wieder einmal, wie das möglich ist?! Ich raffe es einfach nicht, Herr Muezzin singt soooo laut!!! Als wir aufwachen schüttet es wie aus Eimern und kalt ist es auch noch. Ich habe keine Lust mehr, dieser Urlaub war eine Scheißidee, wieso weshalb warum? Als die Sonne noch schien, war alles noch gut, sieht man doch an Jan!
Zum Glück verfliegen diese Gedanken ebenso schnell, wie sie
gekommen sind. Wir frühstücken, packen, zahlen,
hüpfen in den Minibus, steigen in Iskenderun aus, gehen
über die Straße, springen in den nächsten
Minibus nach Antakya - ich muss an dieser Stelle noch einmal
erwähnen, wie luxuriös, sicher, lautlos, leer und
irgendwie fast schon langweilig und zu einfach sich diese Minibusse von
Ort zu Ort bewegen - dort in den Linienbus zum Otogar und hier spielt
sich folgende Szene ab:
Wir laufen in den topmodernen Busbahnhof, der einem Flughafenterminal
ähnelt, werden von einem smarten Türken angesprochen,
dieser nimmt gleich unsere Pässe mit und besorgt uns
Bustickets nach Aleppo. Ich frage mich in der Zwischenzeit, wie
bescheuert wir eigentlich sind und was wohl gerade mit unseren
Pässen geschieht, aber wird schon alles gutgehen. So geschieht
es und wir finden uns kurze Zeit später in einem modernen
Reisebus auf dem Weg nach Syrien wieder. ENDLICH! An Bord ist eine
quirlige ältere Dame aus den USA, die aber eigentlich
Libanesin ist. Ebenso mit von der Partie ein syrisches Ehepaar, das in
Deutschland lebt, genauergesagt in Weißenturm bei Koblenz
(und der Bruder der Frau wohnt auf der Karthause). Dies hat den
Vorteil, dass uns immer jemand die neuesten Neuigkeiten
übersetzen kann und derer gibt es viele.
Wir fahren etwa eine 3/4 Stunde durch strömenden Regen und
Gewitter, landschaftlich erinnert es irgendwie an England. Auf der
rechten Seite verläuft ein Grenzzaun mit Wachposten. Die
Landschaft wird karger und felsiger, der Regen bleibt. Wir
nähern uns dem Grenzübergang Bab Al-Hauwa und bleiben
hinter einer langen Schlange von LKWs stehen. Unser Busfahrer bekommt
etwas
zugerufen und wir fahren etwa einen Kilometer im
Rückwärtsgang, um uns dann auf der
gegenüberliegenden Fahrbahn entgegen der Fahrtrichtung dem
Grenzübergang zu nähern. Aber auch hier:
unzählige stehende Fahrzeuge, keinerlei Bewegung. Wir stehen
da etwa 30 Minuten und hören dann,
dass die Grenze geschlossen ist. LKW-Fahrer oder Taxistreik, keiner
weiß was genaues und den tatsächlichen Grund
erfahren wir nicht. In dieser aussichtslosen Lage erinnern wir uns
gerne an die hübschen türkischen Basare
zurück.
Es dauert einige Stunden, bis die Grenze sich öffnet und unser
Bus endlich weiterrollt. Der Busfahrer hat das sich
durchschlängeln und
vordrängeln voll drauf - wir nicht und deshalb dauert es auch
sein Weilchen, bis wir unseren Ausreisestempel endlich im Pass haben.
Da wir Ausländer sind, werden wir noch an den Rand gewunken,
um ein paar Formulare auszufüllen. Diese entpuppen sich als
Tourismus-Fragebögen,
sowas habe ich doch letztes Jahr in Kambodscha auch schon mal erlebt!
Wie lange waren Sie hier und wieviel Geld haben Sie ausgegeben?
Weiter geht's mit dem Bus zur syrischen Grenzabfertigung. Zu diesem
Zweck fahren wir ein paar Tausend Meter durch's Niemandsland. Es sieht
gespenstisch aus: rechts und links Felsbrocken soweit das Auge reicht,
Autowracks, bewaffnete Grenzwächter und Feuer! Hier werden
wohl geschmuggelte Waren mal eben verbrannt. Endlich kommen wir am
syrischen Grenzposten an. Hier heißt man uns auf
verschiedenen beschrifteten Tafeln sehr herzlich willkommen:
- Hope you happy travel!
- You are welcome to your country Syria!
- My dear traveller: If you face any trouble please contact the
responsible officer.
- Dear Travelar! Sayin Yulcu!
Unser Busfahrer kümmert sich derweil
höchstpersönlich um die Bestempelung unserer
Reisepässe und nach kurzer Zeit sind wir nun offiziell in
Syrien, hurra! Jetzt wird nur noch das Gepäck im Bus gecheckt
und die Fahrt kann fortgesetzt werden. Kaum erreichen wir Syrien, sieht
alles schlagartig ganz anders aus! Die Bauweise der Häuser,
die Farben...
Wir kommen mit Mohamed aus Damaskus ins Gespräch, der uns
gleich seine Telefonnummer und Email-Adresse hinterlässt und
uns zum Tee sowie in seinen Shop einlädt, wenn wir nach
Damaskus kommen. Er würde auch gerne gleich Business mit uns
betreiben, zeigt uns noch stolz Handyfotos von seinen drei Kindern und
dann müssen wir leider aus- und umsteigen, um nach Aleppo zu
gelangen. Mit dabei das Ehepaar aus Weißenturm und zwei
weitere Herren aus dem Bus. Wir betreten einen authentischen Minibus
(mit Leopardenbabyposter, klapprig, laute Musik von ollen Kassetten...)
und machen Bekanntschaft mit seinem Fahrer, ein ungefähr 90
Jahre alter grimmig dreinschauender Araber mit genau einem solchen
Gewand, in dem man sich klischeemäßig eben Araber
vorstellt sowie ein weißes Kopftuch. Er scheint nicht
sonderlich erfreut, dass er uns nach Aleppo fahren soll, noch weniger
scheint er erfreut, dass es einen Deal zwischen der türkischen
Busgesellschaft und ihm geben soll, uns umsonst (da im Busticketpreis
inbegriffen) transportieren zu müssen.
Er beginnt lautstart zu fluchen wie ein Rohrspatz, brüllt dann
wie ein Löwe, die anderen Insassen tun es ihm gleich, alle
brüllen nun wild durcheinander, der Fahrer fährt
mehrmals rechts an und bedeutet uns auszusteigen, das gegenseitige
Angebrülle dauert noch weitere fünf Minuten, Jan und
ich gucken uns mit großen Augen an, interpretieren frei in
die wildgestikulierenden arabischen Streitereien hinein, der eine Mann
scheint nachzugeben, zückt ein paar Scheine, es herrscht
wieder Ruhe und wenige Minuten später wird schon wieder aus
vollem Herzen gelacht, über uns und Nescafé oder
ähnliches. Die Musik wird aufgedreht, ein paar Kassetten
werden ausprobiert und alles ist gut.
Ich mache mir derweil so meine Sorgen über die
Multitaskingfähigkeiten unseres greisen Fahrers,
brüllen und Autofahren klappt in Kombination nicht ganz so
gut, aber jetzt habe ich immerhin auch mein bereits vermisstes
Minibusfeeling. Ich gucke gespannt aus dem Fenster, jetzt, wo sich die
Situation wieder entspannt hat. Es sieht wirklich völlig
anders als alles bislang gesehene aus. Nach nicht allzu langer Zeit
erreichen wir Aleppo, welches laut ist und hupt und wesentlich
chaotischer wirkt, als die großen Städte des
türkischen Nachbars.
Wir begeben uns zu Fuß auf die Suche nach einer Unterkunft,
verlaufen uns etwas, irren herum, können rein gar nix lesen
und hoffen, dass der nächste Regen noch ein Weilchen auf sich
warten lässt. Eher zufällig finden wir das Hotel, das
wir gesucht haben, es heißt Al Gawaher und wird uns von
unserem Reiseführer ans Herz gelegt. Wir checken ein, trinken
erstmal 'ne halbe Stunde lang Tee an der Rezeption und finden ein
tolles Haus mit Dachterrasse, Gemeinschaftsräumen und
Kronleuchtern vor. Unser Zimmer ist dreieckig und sehr hübsch.
Auf dem Bild sieht man allerdings nicht unser Zimmer, sondern einen
Gemeinschaftsraum, der auch dreieckig ist.
Wir lernen gleich ein weiteres deutsches Pärchen kennen, das
seit Montag in Aleppo ist und uns ein paar gute Tipps gibt. Die beiden
haben auch den Toros-Express aus der Türkei genommen und sind
erst um 20 Uhr hier angekommen! Gut, dass wir vorher ausgestiegen sind,
sonst wäre es eine 35-stündige Zugfahrt geworden...
Obwohl, in Indien hatten wir glaube ich eine noch längere
Strecke zu bewältigen.
Es ist schon 19 Uhr mittlerweile, wir haben Hunger und machen uns auf
Entdeckungstour. Die erste Prüfung bestehen wir mit Bravour,
gekonnt und souverän - bitte überqueren Sie eine
vierspurige hupende Straße ohne Zebrastreifen oder Ampel!
Schlendern Sie dann eine arabische glitzernde blinkende und mit Kitsch
und Menschen überhäufte
Fußgängerzone entlang, biegen Sie rechts in eine
kleine Gasse ein und schlängeln sich dann durch antike,
prachtvolle Pfade zu einem Restaurant. Stellen Sie fest, dass Ihnen die
vorzufindenden Etablissements zu nobel sind und versuchen Sie, aus
diesem Gassenlabyrinth zu entkommen. Ist Ihnen dies gelungen, versuchen
Sie die arabischen Beschriftungen zu einem Restaurant Ihrer Preisklasse
zuzuordnen und kehren Sie endlich ein. Machen Sie nicht den Fehler,
hinter jeder bunten arabischen Beschriftung ein Falafel- oder
Dönerbüdsche zu vermuten! Versuchen Sie
abschließend, etwas Vegetarisches zu bestellen, es ist
schließlich schon 20 Uhr!
Wir nehmen dann auch Platz, und zwar in einem irakischen Restaurant,
wie sich dank unseres freundlichen Sitznachbarn schnell herausstellt.
Wir dürfen uns in der Küche etwas zu essen aussuchen,
da es keine Speisekarte gibt. Ich esse Salat und Brot, Jan Reis mit
Bohnensauce. Es ist lecker, Wasser und Tee gibt's umsonst dazu,
Zigaretten werden uns auch noch angeboten, auf die Antwort, wo wir
herkommen, wird freudestrahlend mit "Hitler" reagiert, wir nehmen's
schieflächelnd hin, zahlen nicht mal 2 € und
verabschieden uns wieder.
Auf der Straße tun sich Fruchtshakebuden auf, wir trinken
einen großen Bierkrug voll lecker Shake und wollen
zurück ins Hotel, schlafen, was uns jedoch nicht gelingt, weil
uns ein freundlicher Syrer namens Ahmed anspricht und zum Tee
einlädt. er ist echt nett, bietet "zufällig" auch
Touren an, ist aber zurückhaltend (und selber müde).
Eine deutsche (Ex-) Freundin hat er auch, aber sie meldet sich nicht
mehr und ihn plagt der Liebeskummer. Mich plagt nur noch die
Müdigkeit und Erschöpfung, ich will endlich schlafen
und keinen Tee mehr trinken. Wir gehen durch den kalten Regen
zurück ins Hotel, die Köpfe sind voll von all diesen
Eindrücken des Tages und diese müssen aufgeschrieben
werden, bevor morgen schon wieder neue hinzukommen. Jetzt aber erstmal:
Licht aus, Augen zu, ist schon 24 Uhr!
09.05.2008
Wenn wir weiterhin soviel erleben, wird aus diesem Reisetagebuch ein
300seitiger Roman! Es wird immer schwieriger, das Erlebte in Worte zu
fassen und eigentlich möchte ich schon jetzt dem geneigten
Leser, der geneigten Leserin eine Reise nach Syrien ans warme Herz
legen, um sich selber von diesem Zauber zu überzeugen.
Wir schlafen ziemlich lange aus, stellen erfreut fest, dass die Sonne
wieder lacht und suchen uns ein
Frühstücks-Etablissement. Da heute Freitag und somit
islamischer Sonntag ist, herrscht eine erstaunliche Leere in der Stadt.
Die noch proppevollen Straßen von gestern sind wie
ausgewechselt, nur vereinzelt haben ein paar Läden
geöffnet. Unsere Wahl fällt auf ein 70er Jahre Style
Restaurant, wo wir Hommus mit Brot verspeisen und gleichzeitig unseren
Olivenölvorrat für die kommenden Woche abdecken. Ein
anschließender Spaziergang führt uns durch das
christliche Viertel und seine schmalen, verwunschenen Gassen. Ich muss
an Sansibar zurückdenken, jedoch brettern hier nicht alle Nase
lang die Mopeds durch, es ist angenehm still. Ab und zu treffen wir ein
paar Kinder, die von Jan fotografiert werden wollen.
Wir laufen einfach drauf los und stoßen irgendwann
unweigerlich auf die gigantische Zitadelle, die weltberühmt
und eine der besterhaltenen Festungen überhaupt sein soll. Wir
können nur noch über die Ausmaße dieser
mächtigen Burg staunen und Jan packt erstmal sein
Weitwinkelobjektiv aus. Schon kommt ein kleiner dicker Junge mit seinem
Kätzchen zu uns und bittet darum, abgelichtet zu werden.
Strahlend setzt er seine Katze bei mir ab und stellt sich in Pose. Kaum
haben wir uns entschlossen, einmal die Zitadelle zu umrunden, bevor wir
sie besichtigen, werden wir von einem jungen Mann
begrüßt. Er beginnt ein Gespräch auf
deutsch mit uns und erzählt davon, dass er eine deutsche Frau
hat und in der Nähe von Kassel wohnt. Wir halten ein
interessantes Pläuschchen und setzen uns auf eine Bank, damit
er uns ein paar schöne Sachen im Reiseführer
näher erläutern kann. Obwohl er nur fünf
Monate in Deutschland war, spricht er entgegen seiner
Ankündigung supergut deutsch. Es dauert keine 15 Minuten, da
hat er uns in sein Dorf am Euphrat eingeladen bzw. zum Abendessen bei
seinen Freunden, wo er derzeit in Aleppo wohnt, bis er seine
Uniabschlussprüfung absolviert hat.
Wir stellen ihm viele Fragen, unter anderem auch, wo wir eine SIM-Card
kaufen können. Zufällig hat er gerade drei SIM-Cards
dabei und leiht uns eine davon, es ist nicht zu fassen. Wir kommen mehr
uns mehr ins Gespräch, seine Frau heißt auch Sandra
und er zeigt uns ein Bild von ihr. Wir finden, dass sie nett aussieht.
Beim Ensetzen der SIM-Card in mein kambodschanisches Handy kommen wir
aufgrund der seltsamen Zeichen darauf, dass ich in Kambodscha war.
"Meine Frau auch, hat für den DED gearbeitet." Die Sache wird
uns allmählich ein bisschen zu unheimlich!!! Bin ich
vielleicht in Wahrheit seine Frau, habe ich eine
Doppelgängerin? Jaja, die Welt ist klitzeklein, am Ende kommt
raus, dass ich mit seiner Frau bei der DED-Vorbereitung in Bad Honnef
schon ein Bierchen getrunken habe. Wir fassen es alle nicht, lachen uns
kaputt und verabschieden uns erstmal.
Jan und ich können schon jetzt nur noch den Kopf
schütteln. Als wir schließlich die Zitadelle
betreten, ist alles vorbei. So etwas habe ich noch nie gesehen! Das
Ding ist gigantisch, der Blick atemberaubend und mir fehlen definitiv
die Worte, um diese Szene und dieses Gefühl zu beschreiben,
sorry. Fest steht jedoch bereits jetzt, dass ich hier nochmal hin muss.
Vielleicht über Silvester? Wir verbringen eine halbe Ewigkeit
auf dem unsagbaren Gelände, bekommen eine Gurke von zwei
lustigen Männern geschenkt und gönnen uns noch ein
Tässchen Tee hoch über den Dächern der
Stadt, das wir endlich einmal selber zahlen.
Um zum Hotel zurückzukehren durchqueren wir den menschenleeren
Suq, einzig ein Armenier bittet uns auf deutsch in seinen Shop und
"nötigt" uns, als erste und wahrscheinlich letzte Kunden des
Tages etwas zu erwerben. Da es sich um armenische
Schmuckstücke handelt, ist Jan fein raus aus'm Schneider. Aber
weil meine Mutter heute Geburtstag hat, lasse ich mich ausgiebig
beraten und suche eine sehr hübsche Kette aus. Über
die Preisverhandlung lasse ich mich jetzt nicht aus, ist ja ein
Geschenk, bloß: die anfangs genannten 45$ habe ich nicht
gezahlt.
Zurück im Hotel machen wir eine kurze Verschnaufpause und
suchen dann ein Internetcafé, damit ich ein paar
Glückwünsche per Skype loswerden kann. Es klappt
einwandfrei. Dann strolchen wir noch ein Weilchen durch die
Straßen, laden das Handyguthaben auf und suchen mal wieder
ein Restaurant. Da läuft uns Ahmed von gestern Abend
über den Weg. Er wollte sowieso gerade etwas essen und nimmt
uns mit in ein klitzekleines Restaurant mit Kachelcharme.
Anschließend besorgen Jan und ich uns noch Fluchtshakes
(sowas nennt man wohl den Freud'schen Verschreiber) und beenden den
eindrucksvollen Tag mit der untergehenden Sonne auf "unserer"
Dachterrasse. Mittlerweile ist es kalt und wir gehen lieber mal wieder
rein.
Vor'm Schlafengehen führe ich mir noch die Geschichte,
politische Situation und Kultur Syriens zu Gemüte, was mich
schwer verwirrt und mit Jan den halben Nahostkonflikt
aufdröseln lässt. Schwere Kost als
gute-Nacht-Geschichte. Was ist mit den Golanhöhen, der
Westbank, dem Gaza-Streifen, den Sunniten, Schiiten, wer mit wem, wer
gegen wen, wieso, weshalb und warum überhaupt?
10.05.2008
Am nächsten Morgen wird erstmal ausgeschlafen und
schwuppdiwupp: Suq-Tag ist da. Heute besichtigen wir den
berühmt berüchtigten Suq von Aleppo, mit einer
angeblichen Gesamtlänge von 12-16 Kilometern - die Angaben
variieren je nach Quelle - die wir definitiv nicht ablaufen werden. Suq
bedeutet einfach nur Markt.
Schnell stellen wir fest, dass die Syrer noch länger schlafen
als wir und ihre Rolläden erst nach und nach donnernd nach
oben schnellen lassen, um uns ihre Waren feilzubieten. Wir hocken
deshalb noch ein wenig auf Bänken vor der Zitadelle rum und
beobachten Menschen im Sonnenschein, wie schön! Zu
späterer Stund schlendern wir durch den Suq, der angenehm
kühl temperiert ist und allerhand ohs, ahs und bähs
aus unseren Kehlen fordert. Auch ein paar igitts und hihis werden uns
entlockt, nämlich durch reihenweise geschächtete
Tierkadaver oder aber durch Schilder und Sprüche wie "Geschenk
für Schwiegermutter" und "Ich bin billiger als ALDI."
Wir kaufen einige Orientteppiche (im Miniaturformat), Säckchen
und Täschchen, bevor wir ein sehr sehr altes und elegantes
Gebäude betreten, welches in früheren Dekaden eine
Psychiatrie zu sein pflegte. Unterwegs statten wir auch noch der
berühmten Umayyaden-Moschee einen Besuch ab. Hier wird mir ein
langes Gewand gereicht, welches uns große Freude bereitet und
in dem ich von nun an die restliche Zeit über anmutig durch
die Gegend tanzen und schreiten werde.
Viel mehr passiert an jenem Tage nicht, außer dass wir Ahmed
im Reisebüro anrufen und eine 1,5 tägige Tour bei ihm
buchen. Er ist glücklich und lädt uns zum Tee ein,
wir sind skeptoglücklich, aber tendenziell eher
glücklich als skeptisch und gehen irgendwo essen. Da es keine
Karte auf englisch gibt und wir des arabischen leider immer noch nicht
mächtig sind, werden wir wieder in die Küche gebeten,
erhaschen einen prüfenden Blick in jeden Topf, entscheiden uns
für zwei Dinge und bekommen wieder einmal sämtliche
verfügbaren fleischlosen Speisen und 1,5 Liter Wasser
serviert, sodass wir am Ende dieser Aktion leider platzen.
11.05.2008
Zum Glück hat sich bis zum nächsten Morgen wieder
alles zusammengefügt, sodass wir in aller Ruhe noch ein
bisschen auf dem Suq und in der Altstadt bummeln und schlemmen (ja,
schon wieder ESSEN!) können, bevor wir um 12 Uhr unsere
Exkursion ins Ungewisse starten. Wir steigen zu einem dickbebrillten
Türken ins Auto, der die ganze Zeit auf türkisch zu
uns spricht und mein mehrfaches "anlamadim" (ich nix habe verstanden,
Mann) einfach ignoriert. Er scheint noch nie in Aleppo Auto gefahren zu
sein, erstens kriecht er wie eine Schnecke, zweitens fragt er alle paar
Meter nach dem Weg. Wir wollen zum Simeonskloster, wo der heilige und
bekloppte St. Simeon dreißig Jahre lang auf einer hohen
Säule gehockt haben soll und von vielen noch bekloppteren
Pilgern verehrt wurde. Die Ruinen des Klosters sind noch gut erhalten
und man hat einen super Ausblick.
Zum Glück sind wir mit der Besichtigung gerade fertig, als ein
Reisebus voll mit deutschen Senioren anrückt. Hier sind
unglaublich viele Busladungen mit deutschen Senioren unterwegs. Meine
Vermutung ist ja, dass die Kirchengemeinden dahinterstecken und ihre
Schäfchen auf Kulturreise nach Syrien schicken, auf
christliche Spurensuche oder so. Es gab sicher auch
Vorbereitungsabende, auf denen es jede Menge Tipps für die
Reise gab, z.B. weiße Hosen und khakifarbene Hemden
anzuziehen. Immerhin tragen sie ihre Rucksäcke nicht vor'm
Bauch. Ich mag die Gruppen irgendwie! Das ist doch sympathischer als
eine Busladung voller heiserschreiender Spanierinnen oder dicker Amis
in Hotpants!
Wir steigen wieder in unser türkisch beschalltes Auto und
fahren bzw. kriechen zur nächsten historischen
Stätte. Würde mir das Wort "links" auf
türkisch wieder einfallen, müsste der Fahrer nicht
schon wieder rechts ranfahren und nach dem Weg fragen. Unser
Reiseführer beschreibt nämlich sehr genau den Weg zum
Tell Ain Dara, ein Tempelein auf einem Hügel mit
großen Fußstapfen von Gott und einem
Löwen, der wie Jan gucken kann. Auf dem anderen Foto
übe ich das auf Säulenstümpfen hocken.
Zurück in Aleppo hauen wir uns kurz auf's Ohr und treffen uns
dann mit unserem neuen Bekannten an der Zitadelle-Frikadelle. Er nimmt
uns mit zu sich und seinen vielen Mitbewohnern nach Hause, ein
schönes verstecktes Haus in der Alstadt, voll mit netten und
neugierigen Studenten. Zwei der Jungs gehen einkaufen und kochen was
leckeres für uns alle. Zu zehnt sitzen wir
schließlich auf Matten und Polstern um das Essen rum und
verbringen einen fantastischen, amüsanten, unvergesslichen
Abend. Am Ende wird sogar noch getanzt, gefilmt und Abschiedsfotos
geknipst. Manchmal fühl ich mich als einzige Frau unter all
den arabischen Männern (und Jan) ein wenig unsicher und
wünschte mir noch eine syrische Frau herbei, nichtsdestotrotz:
das war ein genialer Abend! Überwältigt von so viel
Gastfreundschaft und Freude gehen wir zurück in unser Hotel
und packen schon mal ein paar Sachen in die Rucksäcke, denn
morgen verlassen wir Aleppo (leider) schon wieder.
12.05.2008
7 Uhr. Der Wecker klingelt. Jan ist schon wach und aktiv. In Windeseile
haben wir unser Hab und Gut verpackt und machen uns startklar
für den Tag. Zunächst jedoch müssen wir
auschecken und zahlen. An der Rezeption ist allerdings noch keine
Tätigkeit zu verzeichnen. Einzig ein Wachjunge liegt pennend
auf dem Sofa. Auch von einem gebrüllten "Hellllloooo" wacht er
nicht auf und Jan muss ihn wachrütteln. Das gefällt
dem Jungen überhaupt nicht, er brabbelt was arabisches und
zieht sich die Wolldecke über den Kopf. Ich
beschließe, schon mal loszugehen um ein paar
Käsebrotssticks zu besorgen, doch haha, die
Eingangstür des Hotels ist abgeschlossen. Also
rüttelt und schüttelt Jan weiter an dem Jugen bis er
sich schließlich murrend erhebt und schlaftrunken die
Tür öffnet. Jan lässt Geld und
Schlüsel für's Zimmer an der Rezeption und wir
betreten die Straße. Schon kommt ein Herr auf uns zu,
schüttelt uns die Hände, stellt sich uns als Osama
und unser Fahrer für den heutigen Tag vor. Unsere Route soll
uns zum Asad-Stausee inkl. Bootsfahrt und danach quer durch die
Wüste mit ein paar Zwischenstopps nach Palmyra bringen.
"The driver speaks English." Dass Osama soviel Englisch spricht wie ich
Khmer wird schnell deutlich. Aber das ist zunächst einmal
nicht so relevant. Wir verlassen also Aleppo und passieren eine
dunstig-staubige Strecke vorbei an Schwerindustrie und Gestank, die
Straßenränder sind zugemüllt und
schön ist das wahrhaftig nicht! Unser erster Halt ist bei
einer Familie im Nah-Dorf, der wir in die Bude glotzen dürfen,
finde ich ja immer etwas komisch (andererseits hätte ich aber
auch nix dagegen, wenn ein paar lustige Touristen meine Wohnung sehen
wollten).
Weiter geht's zum Asad-Stausee, der wunderbar grün-blaues
Wasser enthält und von mächtigen alten Burgen umrahmt
ist. Eine davon erkunden Jan und ich und drehen Spökesvideos.
Wir stoßen bei unserer Exkursion wieder einmal auf eine
interessante Treppe. Nicht nur in Angkor Wat scheinen die Menschen sehr
kleine Füßchen gehabt zu haben. Allerdings wurde
diese Treppe hier wohl auch eher für kurzbeinige Kreaturen
konstruiert.
Zurück im Auto wird uns schnell klar, dass wir wohl doch nicht
Bootfahren, entfernen wir uns doch ganz deutlich wieder vom See.
Jegliches Nachfragen führt zu keiner aufklärenden
Antwort, aus einem nickenden "yes yes" werden wir leider auch nicht
schlau. Zum Glück haben wir ein Boot (mit Katze und Eule) in
der Tasche und versuchen es auf diesem Weg nochmal. Keine Chance! Osama
hält zunächst an einem Brotbackinstitut, an dem
dünne Teigfladen auf runden Sitzkissen in einen Steinofen
geschleudert und anschließend fertig gebacken auf den Boden
gepfeffert werden. Dann wird noch eine würzige Paste
draufgeklatscht, das ganze in Zeitungspapier eingepackt und fertig ist
das leckere Mittagessen. Wir sitzen noch immer nicht im Boot, sondern
im Auto und entfernen uns immer weiter vom See. Auch nach dem
fünften Mal nachfragen lässt Osama uns unverrichteter
Dinge auf der Rückbank schmoren.
Langsam finden wir's nicht mehr komisch und beginnen zu zetern. Da ruft
Osama jemanden an und gibt mir den Hörer. Da ich davon
ausgehe, dass es Ahmed ist, lasse ich meinem Ärger freien
Lauf, schließlich haben wir eine ganze Stange Geld
hingeblättert und wollen jetzt nicht mit irgendeiner
Wüstenschlossruine vertröstet werden. Leider ist es
nicht Ahmed, sondern jemand vom Hotel in Palmyra... also das ganze noch
einmal, diesmal mit Ahmed. Ich bin echt sauer, Jan gibt auch nochmal
ordentlich Zaster hinzu und irgendwann beruhigen sich die
Gemüter auch wieder. Bringt ja auch nix, uns jetzt zu
ärgern, es lässt sich eh nicht mehr
rückgängig machen. Und so besichtigen wir fortan also
noch zwei weitere Ruinen. Es droht, ein Ruinen-Besichtigungsmarathon zu
werden!
Allerdings sind die folgenden zu betrachtenden Ruinen wahrlich nicht
von schlechten Eltern. Ar-Rusafa und Qasr Al-Hair ash Sharki stehen in
der Wüste, erstere ummauert sogar eine Kathedrale des
weltberühmten Sankt Horst-Sergio! Die Wüste ist
trocken und staubig ("der Ritt war lang die Wüste staubig")
und wäre auch leise, wenn der Fahrer mal den Motor abstellen
und das Nervkind aufhören würde, Cola und Business zu
sagen. In der Wüste sind erstaunlich viele Häuser.
Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie die Menschen hier unter so
rauhen Bedingungen leben können. Ab und zu sieht man auch ein
paar Zelte von Beduinen oder Nomaden, Kamele hingegen entdecken wir
nicht.
Auf die Gefahr hin, dass hier die selben Fotos wie in Jans Reisebericht
erscheinen, dennoch ein kleiner Einblick.
Gegen 19 Uhr erreichen wir schließlich unser Hotel mit guter
Laune und einer ordentlichen Portion Durst und Hunger. Wir nehmen noch
ein kleines Mahl zu uns, gucken ins Internet und schreiben. Gegen halb
11 beginnt jemand, wie wild zu hämmern, vielleicht wird das
Hotel gerade noch gebaut?! Wir wissen es nicht und schlummern in
Ungewissheit hinein ins Reich der Träume (und hupenden Autos).
13.05.2008
Der heutige Tag lässt sich ohne Zweifel in die Reihe "Jan und
Sandra verunglimpfen historische Monumente" einreihen. Nicht dass wir
kulturell uninteressierte Reisende wären: die zahllosen Ruinen
und Säulen beeindrucken uns schwer, nur irgendwann ist der
Tempeloverflow erreicht und ich kann mich nur noch mit einer
ausgiebigen Siesta wieder mit Palmyra versöhnen. Das ist in
etwas das Gefühl, das ich hatte, nachdem ich 10 Stunden auf
der Expo von Pavillion zu Pavillion geflitzt bin oder aber in Angkor
Wat von Tempel zu Tempel. Glücklicherweise bleibt der
Nachmittagsschlaf von den unglaublich nervigen Piepsvöglen,
die uns die ganze Nacht gequält haben, verschont.
Am späten Nachmittag erklimmen wir noch einen hohen Berg, auf
dem eine weitere Zitadelle thront und bestaunen dort mit vielen, aber
nicht so vielen wie in Angkor oder Darjeeling, den Sonnenuntergang. Der
Platz unserer Wahl wird von einem deutschen Ehepaar als Sitzaskese
betituliert, wir lachen und behaupten, bereits seit 15 Jahren hier zu
sitzen und noch mindestens weitere 15 Jahre zu verweilen, um es dem St.
Simeon gleichzutun. Zum Abschluss des Tages gönnen wir uns das
erste Bierchen, seit wir in Syrien sind, es ist libanesischer Brauart
und genießbar.
Das tägliche Tränenlachen scheint sich einzupendeln,
wir liegen lachend im Hotelzimmer, imitieren vornehme, britische
Charaktere und sind froh, so froh! Ein PS hätte ich noch: hier
gibt es Düsenjäger en masse, die über die
Wüste düsen bzw. jagen! Da kommen
Kindheitserinnerungen hoch, Düsenjäger und
Überschallknall!
14.05.2008
Nach dem Frühstück geht es schnurstracks mit dem Bus
nach Hama via Homs vorbei an Hinweisschildern in den Irak - wir biegen
glücklicherweise in die andere Richtung ab, ein komisches
Gefühl ist das irgendwie schon. In der Wüste steigen
einige Soldaten ein, unterwegs sehen wir Panzer. Nach etwa 2,5 Stunden
Fahrt erreichen wir Homs, fahren mit dem Taxi zur zweiten Busstation,
von der Minibusse nach Hama fahren und setzen uns in einen solchen. Im
Riad Hotel in Hama begrüßt man uns wieder einmal mit
Tee (ich will gar nicht wissen, wie viele Liter Schwarztee ich in den
letzten 14 Tagen in mich hineingeschüttet habe und erlaube mir
mal, an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich Schwarztee eklig
finde, ih, bäh!). Im Anschluss begeben wir uns an den
stinkenden und zugemüllten Fluss namens Orontes, an dem die
weltberühmten Wasserräder vor sich hinknarzen, so sie
sich denn drehen.
Im Reiseführer steht, die Räder machen Musik,
für mich klingt es eher wie ein nerviger Baulärm oder
ähnliches, aber so einem alten Wasserrad verzeiht die
Menschheit offensichtlich einiges, würde da der Herr Sowieso
stehen und den lieben langen Tag permanent Holzplatten schmirgeln,
sähe die Sache wohl etwas anders aus.
Wir latschen noch ein bißchen durch die Stadt, gehen hinauf
auf den Zitadellenberg - zur Abwechslung ist mal nicht viel von der
Zitadelle übrig außer ihrer Erhebung - und ruhen uns
dann im Hotel auf der Dachterrasse aus. Noch ist nicht entschieden, ob
wir einen weiteren Tag in Hama verweilen oder gleich weiter nach Homs
fahren.
Nach einigen Telefonaten und Rückversicherungen wäre
auch das geklärt und wir nehmen die freundliche Einladung nach
Homs an... Wir besorgen uns noch ein paar Snacks und werden zum
wiederholten Male gefragt, ob wir aus Marburg kämen, in einem
Saft-Laden hängt sogar ein Marburger Bier-Porzellanteller!?
Ist die Marburger Uni vielleicht die Partneruni von Hama?
15.05.2008
Heute morgen ist der Wurm drin, Jan haut sich zum zweiten Mal den Kopp
im Treppenhaus an, es regnet, als wir die Straße betreten und
wir sind angenervt. Kein guter Start! Wir tauschen in der Bank noch ein
paar € um und laufen dann am stinkenden Fluss zu weiteren
Wasserrädern, die sich a) nicht drehen und b) vom Ufer aus gar
nicht zu sehen sind. Zurück geht es auf der anderen Flussseite
(pfui, neue Rechtschreibung) durch einen ekelhaften Markt, wo gerade
Schafe gehäutet werden und das Blut die Straße
entlangfließt. Schön hingegen ist das Bild der drei
Araber vor ca. 30.000 Knoblauchzehen.
Wir versuchen, eine tierkadaverärmere Straße
entlangzugehen und landen wieder an einer uns bereits bekannten
Lokation. Zu allem Überfluss hat der Park heute auch noch
geschlossen, sodass uns nichts bleibt, als Tee zu trinken, der auch als
Chai Nana (Pfefferminztee) schwarz ist. Wir schlendern im Anschluss
noch ein bisschen durch die Suqs, ich esse noch einen leckeren Fattoush
(Salat mit frittiertem Brot) und schon ist es Zeit, nach Homs zu
fahren.
Per Taxi und Minibus gelingt uns das in weniger als einer Stunde. Am
Busbahnhof wartet bereits unser freundlicher Gastgeber aus Homs auf
uns. Er bringt uns mit seinem Auto zum Hotel, wo wir erstmal
zweieinhalb Stündchen auspacken und ruhen können.
Homs scheint groß zu sein, eine Million Einwohner, sehr
belebt, studentisch und irgendwie moderner, als der Rest, den wir bis
jetzt gesehen haben. Um 18 Uhr werden Jan und ich wieder abgeholt und
bekommen eine exklusive Stadtrundfahrt geboten. Wir kriegen Orte und
Dinge zu sehen, die wir ohne einheimische beste Ortskenntnisse nie
entdeckt hätten.
Hinter hohen Mauern verbergen sich prächtige alte
Häuser, ein paar davon als Restaurants umgebaut, unglaublich
stilvoll und gemütlich.
Die Moschee, die wir besichtigen, hängt voller glitzernder
funkelnder Kronleuchter, die Kirche, die wir betreten, birgt den
Gürtel der Jungfrau Maria und der Suq enthält
tonnenweise Goldschmuck sowie einen wunderschönen Hammam. Wir
machen noch einen Abstecher in ein hippes Café, scheinbar
sehr beliebt bei Studenten. Hier habe ich den Eindruck, ich
könnte überall auf der Welt sein. Den Tag beenden wir
mit einem Einkauf (hauptsächlich Saft und Schokolade) im
Supermarkt - Nutella, Überraschungseier, es ist alles im
Angebot. Wollen wir lieber Figeh oder Drekish Wasser trinken?
PS: Homs ist nur 40 km vom Libanon entfernt, irgendwie eine komische
Vorstellung in Anbetracht der jüngsten Ereignisse dort.
16.05.2008
Heute besichtigen wir mal wieder eine mächtige Burg. Unser
Gastgeber lässt es sich nicht nehmen, uns einen Fahrer zu
organisieren, sodass unser ursprünglicher Plan, das Krak des
Chevaliers per Minibus zu erreichen auch schon wieder über
Bord geworfen wird. Die Burg thront gewaltig auf einem hohen Berg. Am
Straßenrand steht ein blutiger Kuhkopf und ich krieg dieses
fiese Bild einfach nicht mehr aus meinem Kopf.
Nachmittags mach ich ein Nickerchen, Jan zeichnet die Evolution des
Hauses und um halb fünf werden wir wieder von unserem
wahnsinnig netten Gastgeber abgeholt und zu sich nach Hause gebracht.
Dort gibt es Eis und Torte und viele Sofas und Kronleuchter. Mit vollen
Bäuchen machen wir eine Verdauungsspazierfahrt mit dem Auto
und dürfen dabei auch noch ganz nebenbei die "kleine Villa"
des Gastgebers bestaunen, die da im Villenviertel thront. Mich
beschleicht ein unwiderrufliches Gefühl, dass Jan und ich was
Grundsätzliches im Leben falsch machen...
Damit die Bäuche noch voller werden, gehen wir
natürlich noch in einem der feinen Restaurants "Julia Palace"
in alten Gemäuern speisen, werden die vegetarischen Gerichte
werden einfach mal wieder allesamt geordert und am Ende des Abends
platzen wir erneut. Jegliche Versuche, endlich einmal eine Rechnung
selber zu zahlen, scheitern. Mit einem relativ schlechten Gewissen aber
dennoch zufrieden schleppen wir uns die Treppen in den dritten Stock
unseres Hotels hinauf und darben erstmal ordentlich. Morgen gibt es nur
Obst, nur Äpfel, jawohl!
17.05.2008
Der Plan, nur Äpfel zu essen, scheitert natürlich
bereits im Bus nach Damaskus, als der Busbegleiter
eisgekühltes Wasser und Bonbons verteilt. Die Fahrt
führt vorbei an zugemüllten Waldstücken mit
schiefen Bäumen, es ist ein Elend. Mittags erreichen wir den
Ziel-Busbahnhof und sollen für ein Taxi zum Hotel einen
"horrenden" Preis zahlen. Wir weigern uns standhaft und einigen uns
dann mit einem anderen Taxifahrer auf etwa ein Drittel des Fahrpreises
(Taximeter zeigt am Ziel immer noch erst die Hälfte dessen an,
also ist das schon ok).
Das Hotel, in dem wir ein Zimmer reserviert haben, ist ganz nett, hat
aber einige lebensgefährliche Tücken:
Eine Stufe, die unverhofft doppelt so hoch ist wie die anderen und wo
man unweigerlich drüber stolpert.
Eine Toilette, die so eng ist, dass man Gefahr läuft, sich in
ihr zu verkanten und für immer darin gefangen zu sein. Die
Toilette ist zwar nicht eklig, aber dafür mit Abstand die
bescheuertste Toilette, die ich auf der Welt je erblickt und betreten
habe.
Jan und ich machen uns auf den Weg in die Hauptstadt Syriens. Wir
kreuzen als erstes den Suq, der am Ende sogar noch römische
Säulen aufweist, und sind davon so begeistert, wie man eben
sein kann, wenn man seit bald drei Wochen nichts als orientalische
Märkte oder aber Ruinen gesehen hat :-)
Im Suq gönnen wir uns das angeblich leckerste Eis Damaskus -
noch können wir es uns ja leisten... Eine Frau trägt
ein T-Shirt mit der Aufschrift "I love Surgery". Ob sie wohl Chirurgin
ist? Wir latschen noch ein wenig durch die Gegend und ruhen uns dann
aus.
Auf dem Programm steht vielleicht noch das
Freundschaftsfußballspiel Irak gegen Syrien um 20 Uhr, aber
irgendwie sind wir k.o. und nicht mehr so rüstig.
Außerdem müssten wir da vorher auch noch Geld
abheben und mir steht der Sinn gerade gar nicht nach Banken suchen und
durch verstopfte, laute Straßen gehen. Also macht Jan sich
auf die Suche und kommt leicht verzweifelt zurück, da er
nämlich an mehreren Geldautomaten verschiedener Geldinstitute
vergebens sowohl mit meiner als auch seiner EC-Karte versucht hat,
syrische Pfund abzuheben. Damit ist das Fußballspiel
für uns gestorben und wir gehen stattdessen nur noch Hommus
mit Brot essen und schreiben uns gegenseitig Vorlesegeschichten
über den legendären Horst-Sergio.
18.05.2008
Der Sonntag steht ganz im Zeichen des Geldbesorgens, denn wir sind nur
noch im Besitz von umgerechnet etwas weniger als 10 € sowie 30
€ Notfallgeld. Wir wandern im Morgengrauen ins Bankenviertel
und werden einer grausamen Gewissheit gewahr: Kein ATM weit und breit
spuckt uns die heißbegehrten Banknoten aus. Zum
Glück ist ja am Sonntag in islamischen Ländern ganz
normaler Werktag und so erfahren wir in einer großen Bank
auch, dass bereits seit drei Tagen kein Geld mehr über Maestro
verfügbar ist, aber das sollen wir besser mal mit unserer Bank
klären, das sei kein syrisches Problem.
Schade nur, dass sowohl Sparda-Bank als auch Sparkasse ihre Filialen
Sonntags zu schließen pflegen und wir heute sicherlich keine
kundigen Mitarbeiter anrufen oder anmailen können. Wie denn
auch mit unseren paar verbleibenden syrischen Pfund??? Und das Hotel
ist schließlich auch noch nicht bezahlt!!! Wir enstscheiden
uns für eine lösungsorientierte und
möglichst unpanische Problemösungsstrategie und
erkundigen uns nach internationalen Überweisungen. Ja, das
ginge. Trotzdem stimmt uns das nicht so glücklich. Wir gehen
erst einmal wieder zurück ins Hotel, der Krisenrat tagt eine
Weile und beschließt, Informationen aus dem Internet
heranzuschaffen. Dies muss wohlgeplant sein, denn es gilt: Zeit ist
Geld!
Jan kennt jemanden bei der Sparkasse Münsterland-Ost und so
können wir uns vielleicht ein wenig Klarheit und Beruhigung
verschaffen. Wir suchen ein schnelles, skypefähiges
Internetcafé auf, der alte Herr am Eingang warnt jedoch:
"Phone to Computer ok, phone to phone no!" Trotzdem versucht Jan sein
Glück, wird jedoch gleich erwischt und fliegt raus. Angeblich
sei das ein Verbot der Regierung. Ja klar! Damaskus scheint sich gegen
uns verschworen zu haben. Im nächsten Internetcafé
darf geskyped werden und Jan erfährt, dass das Problem
sicherlich nicht an der Sparkasse liege.
Wir machen uns über Geldtransfer per Western Union schlau,
schreiben allerhand Telefonnummern und Adressen raus und fassen ein
paar Pläne:
- Wir suchen noch eine weitere Bank auf, dann werden wir das Geldthema
auf den Montag vertagen.
- Sollten wir immer noch kein Geld kriegen, werden wir jemanden von zu
Hause bitten müssen, uns mittels Western Union aus der Patsche
zu helfen.
- Eine weitere Option wäre Flug umbuchen, manchmal geht das
problemlos und umsonst. Fragen kostet ja nichts.
Also gehen wir wieder zum Hotel, halten eine weitere Krisensitzung ab
und gehen zu der Bank, von der Jan gestern Abend in einen Keller
geschickt wurde, weil man dort angeblich in einem Reisebüro
Geld bekommen soll. Jan war das zu unheimlich und auch ich finde, dass
das durchaus supekt klingt. Am Geldautomaten haben wir jedenfalls
wieder keinen Erfolg. So gehen wir in den Keller und hören in
dem Reisebüro, dass es momentan leider nirgendwo
möglich ist, per Maestro Geld zu ziehen. Maybe tomorrow. Also
nix neues. Wieder oben müssen wir uns für eine
Richtung entscheiden, biegen rechts ab, ich sehe aber aus den
Augenwinkeln das Gulf Air Logo und wir machen spontan kehrt.
Die Gulf Air Mitarbeiter scheinen gelangweilt und nicht gerade
überbeschäftigt, also treten wir ein und fragen, ob
eine Umbuchung theoretisch möglich ist. Klar, kein Problem,
morgen Mittag könnt Ihr los, habt dann bloß einen
längeren Aufenthalt in Bahrein. Ui, morgen!?! Und wieviel
kostet das? Gar nix. Spontan entscheiden wir uns für die
Umbuchung, keine zwei Minuten später halten wir unser neues
Tickes in den Händen und gehen schon wieder zurück
zum Hotel...
Hier tauschen wir die Notfall-30-€ um, zahlen das Hotelzimmer
und rechnen, rechnen, rechnen. Es sollte hinhauen! Da ja jetzt
unverhofft schon der letzte Tag angebrochen ist, wollen wir wenigstens
noch die Umayyaden-Moschee besichtigen.
Auf dem Weg nach draußen stellt der Hotelier fest, dass er
uns 200 syrische Pfund zu wenig berechnet hat, oh Schreck!!! Jeder
Pfund zählt doch jetzt... Jan kommt noch mit einem Gast ins
Gespräch, der seit fünf Tagen versucht, mit
sämtlichen Karten (also auch Visa, Mastercard) an Geld zu
kommen, vergebens. Vielleicht war unsere Blitzentscheidung ja wirklich
eine gute?
Wir zahlen 100 Pfund Eintritt für die Moschee, Jan stimmt nur
zögerlich zu, weil er wenn dann nur noch Geld für Eis
ausgeben will. Ich muss mich in einen dreckigen Polyestermantel
einhüllen, aber dafür verbringen wir einen sehr
schönen und entspannenden Nachmittag im Innenhof der Moschee.
Wir machen noch einen netten Spaziergang durch die Altstadt, kaufen uns
das billigste Essen der Stadt (sechs Minipizzen für 30
syrische Pfund) und verspeisen diese sowie drei kleine Gurken in
unserem Hotelinnenhof. Dazu kriegen wir noch ein paar Kirschen
geschenkt und der Tag ist auch schon wieder vorbei!
19.05.2008
Ich schlafe schlecht und muss des Nächtens gar dreimal auf die horrible Toilette, welch Pein! Der Morgen vermag einfach nicht zu grauen und so fröhne ich meinem Schicksal bis die Sonne endlich aufgeht. Ich besorge uns ein paar Frühstücks-Snacks (beachte dabei die Preise peinlich genau) und stelle im Hotel fest, dass zwei davon mit Fleisch gefüllt sind, obwohl ich doch extra "bidun lahmi" gefragt hatte! So ein Ärger. Ich ziehe erneut los und erwerbe frische Brotfladen sowie ein Falafelsandwich. Davon werde ich satt, aber schlecht wird mir auch. Zum Abschied quetsche ich mich noch einmal auf's Klo und dann sagen wir Damaskus tschüss. Oder zumindest dem Hotel.
Per Taxi lassen wir uns zum Busterminal bzw. in dessen Nähe
fahren und können nicht so ganz glauben, dass hier
tatsächlich der Flughafenbus abfahren soll. Auf dem durchaus
großen Gelände stehen zwar vereinzelt ein paar
Busse, aber Passagiere sind Mangelware. Ein netter Busfahrer streckt
uns zwei Becher eisgekühltes Wasser entgegen, er
fährt aber leider nicht zum Flughafen. Die scheinbar
ehemaligen Ticketverkaufsbuden sind entweder leer und
zugemüllt oder aber abgebrannt und natürlich auch
nicht besetzt. Einzig ein "Schalter" in der hintersten rechten Ecke
verkauft Fahrkarten, jawohl: für den Flughafenbus! Wunderbar.
Unser Geld sollte tatsächlich ziemlich genau reichen, auch
wenn wir noch die 400 syrischen Pfund Flughafengebühr zahlen
müssen (wir haben da unterschiedliche Informationen, der eine
sagt, wir müssen keine Gebühr zahlen, der
Reiseführer behauptet das Gegenteil). Wir erreichen nach einer
guten dreiviertel Stunde unser Ziel, da erhascht uns schon der
nächste Schreck: auf den Anzeigetafeln der Departure Flights
ist kein Gulf Air Flug zu finden. Baghdad ja, Kuwait auch, aber
Bahrein? Wir versuche, durch die Departure Türe zu gelangen,
werden jedoch zurückgewiesen "not yet". Na gut, das bedeutet
ja vielleicht, dass wir noch ein wenig warten müssen, der Flug
aber durchaus stattfinden könnte, sonst hätte der
Mann das doch gleich gesagt, oder?
Scheinbar ist die Anzeigetafel kaputt, Jan entdeckt nämlich
ein Weilchen später unseren Flug doch noch. Nie zuvor habe ich
einen so chaotischen und seltsamen Flughafen gesehen! Nachdem wir
endlich durch die Departure Tür gegangen sind, stehen wir am
Syrian Airlines Schalter, um für Gulf Air einzuchecken.
Für einen kurzen Moment befürchten wir, mit Syrian
Airlines fliegen zu müssen, was wir aus
unerklärlichen Gründen nicht so gerne tun
würden. Die Befürchtung bestätigt sich
glücklicherweise nicht. Wir zahlen brav unsere 200 syrischen
Pfund pro Person und erhalten eine Briefmarke, die dann bei der
Passkontrolle in unsere Pässe geklebt und gestempelt wird,
doll.
Nun haben wir noch zwei Stunden Zeit, zählen unsere restliches
Geld, stellen fest, dass wir uns noch genau zwei Dosen Mandarin-Cola
leisten können und nehmen im Flughafenrestaurant Platz. Hier
ist es sehr nett und wir starten unser erstes UNO-Tournament
für den Tag. Dieses wird allerdings jäh unterbrochen
von einer Gulf Air Durchsage, dass wir bitte schön boarden
sollen. Wie, so früh schon? Tatsächlich, wir fliegen
fast eine Stunde früher als geplant los. Wie kann das sein?
Der Flug ist ok, das vegetarische Essen ist am Start und wir landen gut
in Bahrein. Der Flughafen ist grandios, der Fußboden
glitzert, es gibt gratis Internet-Terminals, Tische zum Kartenspielen
und ein Abendessen auf Kosten von Gulf Air, weil wir ja sooo lang auf
unseren Anschluss warten müssen (hüstel
hüstel, haben wir das nicht so gewollt?).
Jetzt sind wir schon seit sage und schreibe sieben Stunden an diesem
Flughafen, haben eine Tüte Kamele gekauft und warten auf das
verspätete Flugzeug nach Frankfurt. Auf dass die Zeit schnell
vergehe, vielleicht geh ich abermals ins Internet? Ach ja, ein Muezzin
singt sogar hier im Flughafen. Irgendwie werd ich's sogar vermissen,
glaube ich.
20.05.2008
Noch vier Stunden Zugfahren mit der DB liegen vor uns und ich hab
keinen Bock mehr" Als vorläufiges Fazit möchte ich
jetzt schon mal festhalten:
- mit Gulf Air lässt es sich gut fliegen, es gibt sogar Socken
für jeden Fluggast
- Betten in syrischen Hotels sind allesamt sehr bequem
- sie dürfen niemals mit indischen Betten verglichen werden
- das gleiche gilt für die Kissen
- keine einzige Mücke stach uns
- syrische bzw. arabische Musik geht ins Ohr und tötet die
Nerven nicht, zumindest nicht nach so kurzer Zeit
- syrische Bäume wachsen schief, sehr schief, vielleicht gen
Mekka?
- syrische Uhren gehen grundsätzlich falsch, nur in der
Moschee nicht
Danke Syrien, danke Türkei! Wir würden gerne wieder kommen.