27.04.2007
Ich beginne mit einem Zitat von Jan:
"Wenn wir um halb 8 in Frankfurt am Flughafen sein wollen,
müssen wir um 19.20 Uhr den ICE nehmen." Et geht los! Jan +
ich sitzen (!) im ICE nach FFM, trinken Beck's Lemon - PROST -, essen
Brezel mit geilem Biobiopfeffercamembert von PLUS und harren der Dinge,
die da kommen in den nächsten 20 Tagen.
Ich bin stolz auf mein Gepäck, es ist nämlich
verdammt wenig und wir sehen richtig chic aus. Gerade stellen wir fest,
dass wir gar nicht mehr genau wissen, welches Hotel wir uns in Kalkutta
gebucht haben. Na egal. In Dubai gibt es ja auch Internet.
28.04.2007
Der Flug geht ganz glatt von statten, bis
auf ein paar tankfülltechnische Probleme und eine daraus
resultierende Verspätung in Frankfurt. "Everything is under
control".
Am Dubai International Airport werden wir von einer Arabian Adventures
Dame in rot empfangen und idiotensicher nach draußen
geleitet, wo ein Bus auf uns wartet, um uns ins Golden Sands Apartment
3 zu bringen.
"You have no luggage?"
Äh, guck doch mal, wir HABEN doch Rucksäcke auf dem
Rücken! Nun ja, vielleicht zählen in Dubai nur
Rollköfferchen und Beautycases als würdige und
anerkennenswerte Gepäckstücke. Nach einem langen
Busfahrer-Palaver auf Arabisch und einer Anhäufung von
Missverständnissen in unseren Tourifahrzeugen kommen wir
schließlich leicht gebeutelt in unserem Hotel an. An der
Rezeption sollen wir das erste blaue Wunder erleben.
"You have to pay 400 Dirham DEPOSIT!" No have! So eine Frechheit! Wir
sind Deutsche und regen uns dementsprechend auf, beginnen trotz enormer
Müdigkeit über den Sinn und Unsinn einer Kaution in
Dirham für nur eine Nacht zu diskutieren, lassen uns die
völlig unlogische Hotel Policy erklären und
müssen feststellen, dass der arabische Mann sein Herz nicht
erweichen kann.
Wir dürfen dann immerhin in US$ zahlen, die wir aber am
nächsten Tag in Dirham zurückgezahlt bekommen. Wie
praktisch. Wir können es dann ja am Flughafen in US$
zurücktauschen, also bitte, was soll das Theater? Gut, was
soll man jetzt noch tun? Das einzige, was uns interessiert, ist sowieso
eine flache Fläche, auf der wir uns endlich niederlegen
können. Wir gehen in unser Studio in der 7. Etage und werden
von einem Bügelbrett, einer Waschmaschine und zwei
Einzelbetten (na toll!) begrüßt. Wir sind
entzückt. Um 9.30 Uhr haben wir ein
Willkommensgespräch mit Nora, unserer freundlichen
Ansprechpartnerin im Golden Sands. Vorher aber nix wie los zum
Frühstücks-Floor, wo es leckerstes in Form von Pita,
Hummus und frischen Früchten gibt. Natürlich
für unsagbar viel Geld, wie wir gleich im Anschluss an unseren
letzten Bissen erfahren dürfen.
Nun also noch durch Noras unglaublich qualifizierten
Begrüßungsmonolog durch. "Sie können hier
alles anziehen, was Sie möchten." Ja sicher. Sie
dürfen sich auch in der Öffentlichkeit
küssen und mit den Scheichen tanzen, die haben da gar kein
Problem mit. Und dann fallen wir endlich fix und fertig in die vorerst
letzten bequemen Betten.
Dank Jans nichtfunktionierendem Wecker wachen wir erst Nachmittags
wieder auf. Nachdem ich fertig gebügelt habe verfolgen wir nur
ein Ziel, nämlich zu vermeiden, unser Urlaubsbudget gleich in
den ersten zwei Tagen komplett zu verbraten und deshalb einen
Supermarkt aufzufinden. Wir schlängeln uns zunächst
durch die Betonhotelsandmeile Richtung Shopping Mall. Dort nehmen wir
ein leckeres Hummus-Pita-Mahl zu uns und ich amüsiere mich
über die Miss "Single-Married-Divorced" Leserin am
Nachbartisch. Warum sind manche Singles bloß so aufdringlich?
Wobei hier sicherlich einige reiche Herren am Start sind in Dubai. So
sei ihr verziehen.
Als wir kurze Zeit später den Spinneys-Supermarkt entdecken
hüpfen unsere Herzen und wir werden glücklich und
froh. Da die eben erworbenen Oreo-Kekse in dieser Hitze ja sofort
schmilzen, müssen wir sie wohl notgedrungen
unverzülich essen. Gestärkt und völlig
übermütig entschließen wir uns, Richtung
Skyline zu gehen. Da wir das ungern an der vierspurigen
Straßen machen wollen, biegen wir links ab und landen in
einem sehr netten Wohngebiet mit kleinen Lädchen und
Restaurants. Hier verbringen wir einige Zeit, knipsen ein
bißchen und saugen die schönsten Momente des Reisens
in uns hinein.
Den richtigen Einkauf bei Spinneys sparen
wir uns als Krönung des Abends auf. Ich bin ein
Supermarkt-Junkie. Ich liebe ausländische Supermärkte
und könnte Stunden dort verbringen. Wir kaufen in diesem geile
frische Dips mit ordentlich viel Knoblauch, noch geilere Brote, geile
Früchte, alkoholfreies Holstenbier mit Erdbeer- bzw.
Mango-Geschmack (pfui Teufel!!!) und: PIF PAF, ein ultimatives
Insektenkillerspray. Machst Du PIF, macht es PAF! Es soll uns in den
kommenden Wochen vor dem Bösen im Allgemeinen
beschützen.
Im Spinneys an der Kasse bemerkt Jan noch rechtzeitig, dass das geile
Obst auch abgewogen werden muss, also sprinte ich zu der wiegenden
Asiatin. In schwer verständlichem Englisch fragt sie mich die
Mango in der Hand haltend nach irgendetwas. Ich verstehe kein Wort und
bitte sie, das Ganze nochmal zu wiederholen. Wieder verstehe ich nur
Bahnhof, ob ich irgendwo hingehe oder irgendwo war oder sowas. Nach dem
dritten Versuch antworte ich verzweifelt "no", sie lächelt
freundlich und ich gehe verwirrt zur Kasse zurück.
Da wird mir plötzlich klar, was sie meinte und warum sie
dauernd auf meine Tasche geguckt hat:"Did you go to Burma?" Also renne
ich zurück, halte noch ein kurzes Schwätzchen mit ihr
und berichte, dass die Tasche aus Kambodscha ist, aber ja vielleicht
ursprünglich aus Burma stammt. So sind wir
schließlich alle happy und sabai :-)
29.04.2007
Nach einem ziemlich amüsanten
Flug mit trinkenden Indern und einem riesigen
angsteinflößenden Gewitter neben uns nehmen wir am
im Vergleich zu Dubai sehr kleinen und nichtglitzernden Flughafen
dankbar unser Gepäck entgegen. Da wir noch nicht im Besitz von
Rupien sind, tauschen wir ein wenig Geld um und begeben uns ziemlich
gespannt gen Ausgang, wo wider Erwarten nicht gleich 100 Taxifahrer auf
uns zustürmen, sondern nur ein paar wenige.
Dank unseres jetzt schon lügenden Reiseführers
versuchen wir gleich peinlicherweise den Preis etwas zu weit in den
Keller zu drücken. Als keiner Anstalten macht, uns
mitzunehmen, willigen wir dem teureren Preis ein und fahren mit einem
hübschen knallgelben Taxi zu unserer vermeintlichen Unterkunft
in der Lindsay Street. Vorbei an ziemlich heftigen Gegenden, durch das
hupende und dank intakter Bremse irgendwie funktionierende
Verkehrschaos. Da wir uns am ersten Abend den Streß ersparen
wollten, eine Unterkunft suchen zu müssen, hatten wir uns
vorsorglich per Internet ein Zimmer reserviert.
Da wir aber ja die Bestätigungs-Email dummerweise nicht
ausgedruckt hatten und die Leute im Hotel auch nirgendwo unsere Namen
vermerkt haben stehen wir da erstmal wie der Ochs vor'm Berg. "You can
still have a room for 3.800 rs plus tax, no problem". Ah ja, ist klar.
Also raus hier. Es reichte schon in Dubai, so viel Geld für's
schlafen verpulvert zu haben... Ein wenig hilflos, aber
natürlich der nächtlichen Gegend vertraut wirkend
biegen wir die nächste Straße links ab, der
Schweiß fließt trotz fortgeschrittener Stunde derbe
an uns hernieder und wir begegnen einem abgerissenen Rikschafahrer oder
-zieher, der uns vorbei an zahlreichen auf der Straße
schlafenden Menschen zu einem "luxury" Hotel geleitet.
Das neonbeleuchtete und leicht schimmelig riechende Ding ohne Fenster
soll 750 rs kosten. Ich kann das Zimmer auf 600 rs runterhandeln, der
Rikschamann will natürlich auch sein Trinkgeld und wir
schmeißen uns erschöpft auf's Bett. Fehler! Das Bett
ist anstatt mit einer hübsch-weichen Federkernmatratze mit
einem mit rattigem Stoff bezogenen Brett von der Härte eines
Brückenbetonpfeilers bestückt. Aua, Schmerzen! Moder
+ Holzbrett = Gute Nacht!
30.04.2007
Am nächsten Morgen wechseln wir
trotz rheumatischer Beschwerden sofort die Unterkunft, testen in ca. 10
Unterkünften den Härtegrad der Matratzen und
entscheiden uns für ein rosagestrichenes Minizimmer, dessen
Bett in etwa nur die Härte einer Isomatte auf Asphalt
aufweist. Im Anschluss begeben wir uns in einem mehrstündigen
Marsch auf den Weg zum Bahnhof bzw. zum Bahnfahrkartenschalter
für Ausländer nur um dort festzustellen, dass wir
dafür, genau wie für das Erwerben einer SIM-Karte,
unsere Reisepässe mit Visum benötigen, die
natürlich im rosa Zimmer versteckt liegen.
So setzen wir unseren schweißtreibenden Marsch durch Kalkutta
fort und treffen auf eine nette Dame in einem Reisebüro, die
uns die allerletzten noch verfügbaren Zugtickets in Richtung
Norden besorgt. Wir zahlen brav "Service Charge", die
Zauberwährung, und müssen nicht den Rest unseres
Tages damit verbringen, Zugtickets zu organisieren. Das soll
natürlich nicht heißen, dass wir bis dato nur auf
der Suche nach Zugtickets waren. Nein! Wir spazierten an und auf
mehrspurigen Straßen entlang, striffen Märkte,
prunkvolle Bauten und sogar die Metrostation.
Des Nachmittags lassen wir uns noch in den New Market ziehen und werden
dort von den offensichtlich eigens dafür angestellten
Nervmännern fast in den Wahnsinn getrieben. Wir strolchen noch
ein bißchen durch die Gegend, nehmen ein leckeres Mahl zu uns
und gehen zurück in unser Holzbrett.
01.05.2007
Die Nacht ist die Hölle. Denn
dieses mal ist nicht nur die Matratze ein Brett, sondern das Kissen
auch noch zentnerschwer und aus Zement. Kopf und Nacken können
sich nicht mehr rühren. Zudem ist das Bett selbst für
mich viel zu kurz. Aber was soll's!
Frisch und fromm starten wir in den neuen Tag,
frühstücken in unserem Lieblingsrestaurant Taj
Continental und lernen dort unsere drei neuen indischen Freunde kennen,
die rein zufällig auch einen Shop ganz in der Nähe
besitzen. Wer hätte das gedacht?
Nun denn, da wir ja jetzt Freunde geworden sind, statten wir ihnen zu
später Stunde auch einen Besuch ab. Zunächst soll
jedoch das indische Museum von uns besichtigt werden. Hier werden unter
anderem Deutsche Mark Münzen ausgestellt. Als wir alle
düsteren Galerien des wunderschönen Hauses
abgeklappert haben, wartet draußen schon unser Freund auf
uns. Jetzt gehen wir aber endlich zum Shop!
Da die Temperaturen bereits jenseits von Gut & Böse
geklettert sind, ist es uns zum Leidwesen unseres Freundes nicht mehr
möglich, schneller als im Schneckentempo voranzuschreiten.
Doch endlich: der Shop. Hier wartet schon eine
größere Ansammlung smarter Inder, die uns
Kaschmir-Schals und Seide (zum Glück können Inder
SilK sagen!) zu einem - natürlich - special lucky friendship
first customer Preis verkaufen wollen. Ich erbarme mich
schließlich und erwerbe ein Armband, nach einer
mehrminütigen Preisverhandlung, damit wir den Tag noch
woanders fortsetzen können und das Karma für alle
Beteiligten stimmt.
Gegen Nachmittag schnappen wir uns ein Taxi und fahren zum Bahnhof.
Dass wir eine Stunde am falschen Gleis sitzen und es dennoch gerade
rechtzeitig bemerken verdanken wir Jans skeptisch und verzweifelt
aussehendem Gesichtsausdruck und meiner ständig wiederholenden
Nachfrage, ob denn alles in Ordnung sei. Wir sprinten zum richtigen
Gleis und erreichen noch gerade so unseren Nachtzug nach New Jalpaiguri
(NJP).
Déjà vu? Es ist aber auch verwirrend! Lauter
unterschiedliche Anzeigetafeln, ein Menschenwirrwarr und Gewusel, da
kann sowas schon mal passieren. Im Zug kommt dann langsam die
Entspannung zurück. Im Abteil eine nette kleine Familie und
Verkäufer am laufenden Band, die Tee, Kaffee, Gurken,
Erdnüsse, Taschenlampen, Saris, Stifte, Spielzeugautos und
ähnliches feilbieten. Macht Spaß! Die Nacht geht um
und ich träume von einem Erdbeben in Koblenz!
02.05.2007
Kaum in NJP angekommen sitzen wir auch
schon in einem Jeep nach Darjeeling. Unser Fahrer fährt nach
dem Prinzip Dauerhupe + überhole alles, was vor Dir ist +
Vollbremsung die Serpentinenstraße hinauf. Da ist es doch
manchmal gut, hinten rauszugucken. Ein bauchiger Inder packt stolz sein
Taschenradio aus und beschallt uns mit einem Alternative-Music
Radiosender, wo uns gleich die Scorpions die Ehre geben. Kurz vor
Darjeeling geraten wir in einen unsäglichen Stau und und
erreichen nach ca. 5 Stunden Berg- und Talbahn-Fahrt den Bahnhof
Darjeeling.
Unser Guesthouse liegt irgendwo im Hang, was hier nicht schwierig ist.
Allerdings gibt es hunderte von Hotels und Unterkünften,
sodass wir ein wenig rumsuchen müssen. Schließlich
entdeckt Jan ein Schild und nach einem weiteren Berg sind wir da! Wir
beziehen unser Zimmer und Jan haut erstmal mit seinem Kopf die Lampe in
1000 Scherben (es ist nur eine Neonleuchte und Jans Kopf noch dran).
Als wir total fertig endlich duschen wollen, sehen wir, dass es keine
Dusche gibt. Bucket-Shower!
Darjeeling liegt auf über 2000 m Höhe,
dementsprechend erfrischend ist das Wasser und dementsprechend wach
sind wir nach dieser Eimer-Dusch-Aktion und ändern unseren
Plan "schlafen" in "Ort abchecken". Was für ein Panorama!
Leider hält sich der schneebedeckte Teil der Berge dezent
hinter den Wolken versteckt, aber nach meiner Kilimanjaro-Erfahrung
bzw. Enttäuschung (siehe Tansania) hatte ich mit sowas schon
gerechnet.
Sowieso bewährt sich hier das Prinzip "erwarte nicht so viel"
als sehr gut. Naja, da ich eigentlich fast ausschließlich
Schlimmes aus Indien berichtet bekam (Ausnahmen bestätigen die
Regel) wundert mich nicht, dass alles so super ist! Woran mag das
liegen? Bin ich einfach ein wenig älter geworden? Hab ich
für mich ein bißchen rausgefunden, wie ich mit
bettelnden Straßenkindern, Taxifahrern, Verkäufern
umgehe? Bisher bin ich ja meistens mit einer Freundin oder allein
gereist.
Ich glaube, ein entscheidender Entspannungsfaktor ist der Herr an
meiner Seite. Also hier nochmal ein offizielles "Danke" und
"Schön, dass Sie dabei sind" an Mr. Lubux. Und danke vor allem
Kambodscha, das Du Dich von Deiner besten Seite gezeigt hast im
vergangenen Jahr, denn sonst hätte Jan ja auch kein Blut
geleckt :-)
Vor der Reise haben wir ausgemacht, dass nur einer die Krise haben
sollte, damit der andere ihn/sie da wieder rausholen kann. Auch das
klappt bisher ganz gut. Meine Versuche, Jan von seiner chronischen
Reisevorabendkrise zu befreien sind allerdings noch nicht ganz
geglückt. "Jan, wieviele Zugfahrten in Indien waren bisher
schrecklich?" "Keine". "Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die nächste schrecklich sein wird?" "Über null"...
Darjeeling macht auf alle Fälle auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck, trotz verdecketer Berge. Wir wandern stundenlang umher mit ca. einer Million weiterer (indischer) Touristen. Abends fallen wir mal wieder fix und fertig in das nicht ganz so harte Bett und schlafen wie Steine bis um 3.17 Uhr der Wecker klingelt.
03.05.2007
Jetzt heißt es zum Clocktower mit batteriebetriebener Keyboardglocke hinabzusteigen und einen der zahlreichen Jeeps zu erhaschen, um damit zur berühmten Jeepmanufaktur am Tiger Hill nahe des Himalayagebirges zu knattern und mit ca. zwei Millionen Indern den Sonnenaufgang im Tal zu betrachten. Neben leichten Rangeleien um die besten Plätze und dem Wettbewerb "wie gehe ich mit weit ausgebreiteten Armen am langsamsten den Berg so hinauf, dass keiner mehr an mir vorbeilaufen kann" ist mein persönliches Highlight die Sichtbarkeit einiger weniger schneebedeckter Bergspitzen des höchsten Gebirges der Welt sowie die Großfamilie, die unbedingt ein Foto mit Jan und mir haben will.
Die Rückfahrt mündet,
genau wie gestern, in einen Stau und der Wiederholung ein und desselben
Hindi-Tapes, bei dem ich mittlerweile textsicher bin. Zurück
in unserer am Hang gelegenen Unterkunft setzen wir unseren Schlaf fort,
ich träume seltsame Dinge: Der Toytrain fährt so
schnell, dass wir es nicht schaffen, ihn zu fotografieren. Und ich bin
zurück in Deutschland. Alle Leute sind doof und unfreundlich
und ich muss deshalb heulen.
Nach dem zweiten Aufstehen begeben wir uns zum Bahnhof, um dort
festzustellen, dass es in den nächsten zwei Tagen keine
Zugtickets mehr für die gewünschte Destination zu
kaufen gibt. Begeistert verlassen wir den Bahnschalter und setzen Plan
B in die Tat um, der da lautet: Reisebüro. Nach dem
bewährten Prinzip "Service Charge" halten wir einige Stunden
später die begehrten Zugtickets in den Händen.
Zwischendurch probieren wir die indische Fastfood-Kette "Hasty Tasty"
aus und begutachten die Ponys, mit denen wir am nächsten Tag
durch die Teeplantagen reiten wollen, die wir gestern durch einen
Tauschhandel günstig erwerben konnten. Da bringen einem die
Geschäftsbeziehungen nach Sansibar doch wahrlich immer neue
Vorteile.
Nachdem wir also den ganzen Tag bergauf bergab marschiert sind und
völlig erschöpft in unserer Behausung ankommen,
müssen wir feststellen, dass der Koch des Restaurants
ebenfalls k.o. ist und keine Lust mehr hat, für uns zu kochen.
Nun denn. Auf der anderen Straßenseite taucht ein wunderbares
Dachrestaurant auf, in dessen Speisekarte "Katoffen und Spiegeli" zu
finden sind. Das allererste indische Kingfisher Bier mit "not more than
8%" Alkohol ist ok, aber nicht sonderlich lecker.
Während sich Jan heute in einem Männer-Beauty-Salon
den Bart stutzen ließ und gleich noch eine Massage dazu bekam
machte ich mich auf die Suche nach einem Klo und fand das mit Abstand
ekelhafteste, welches mir in den letzten Jahren begegnet ist. Ein
großer, verwinkelter, düsterer, feuchter,
insektenverseuchter, stallähnlicher Verschlag mit
Wasserbecken, Boden nass, Decke nass und tropfend ohne Licht und
Fenster und das Loch total zugeschissen mit schön vielen
Fliegen die um den Arsch schwirren. Dann noch der Gestank und mein
Versuch, mit wackelndem Hintern (Fliegen vertreiben) möglichst
nicht auf die Scheiße zu pinkeln aufgrund der akuten
Spritzgefahr.
Das Klo befindet sich übrigens in einem sehr nett aussehenden
Restaurant... Bislang bin ich aber von den indischen Klos wirklich
nahezu begeistert, ja gänzlich angetan! Sogar die Toilette im
Nachtzug fand ich prima. Durch die nicht-Papier-sondern-Wasser-Methode
verstopft das Klo wenigstens nicht und wird immer schön
nachgespült.
Darjeeling gefällt mir. Die Leute wirken alle total entspannt, in Urlaubsstimmung und gut gelaunt. Kaum einer will uns abzocken, anbetteln oder mitnehmen, sehr angenehm. Und wenn ich das nach vier Tagen schon sagen kann: ich mag's hier in Indien. Ich nehme alles zurück, was ich letztes Jahr gebloggt habe (Ausnahme: manch einer kommt wahnsinnig zurück, denn das glaub ich nach wie vor!!!).
04.05.2007
Was ein prächtiger Tag und eine
prächtige Nacht! Während ich schlafe wie ein Stein
tobt angeblich ein derbes Gewitter um uns herum. Das Resultat,
nämlich klare Sicht, präsentiert sich uns am
nächsten Morgen!
Juhu! Wir stiefeln zunächst los zum Botanischen Garten, den
wir nach einem höllischen Spaziergang an einer
jeepverstopften, hupenden und rotzenden Straße erreichen. Was
haben wir unter einer rotzenden Straße zu verstehen?
Natürlich eine Straße mit Menschen, die auf sie
rotzen. Es scheint eine dieser besonderen Eigenschaften der asiatischen
Kultur im Allgemeinen zu sein, zumindest so auch in Kambodscha und
China, all seine Innereien-Schleimereien beherzt und laut nach
draußen zu befördern.
Nun denn, himmlische Ruhe und ein angenehmer Geruch
begrüßen uns im Botanischen Hang, sowie zahlreiche
hilfsbereite Menschen, die uns den steilen Weg zum Happy Valley Tea
Estate weisen. Dort steht schon ein Guide für uns bereit, der
uns durch die Teeplantagen führt. Den Tee pflücken
hier einzig und allein Frauen. Die haben nämlich kleine
Hände und können das viel besser. ich erkundige mich,
ob sich denn auch Männer als Teepflücker bewerben
können. Nein, keinesfalls. Die arbeiten nur in der Produktion,
harte Arbeit.
Weitere Argumentationen über die Definition von harter Arbeit
und den Sinn bzw. Unsinn dieser Arbeitsteilung folgen, spare ich mir
hier aber im Detail. Im Anschluss dürfen wir noch den "super
fine tippy golden flowery orange picko one" kosten und schlagen gleich
zu. Eine sehr lustige und geschäftstüchtige Dame gibt
uns noch eine Teelektion und wir setzen unseren bergigen Weg fort.
Wir besuchen den höchsten Zoo der Welt, werfen unsere
Postkarten am Himalaya Mountaineering Institute in einen
äußerst dubiosen Briefkasten und sitzen nach
mehreren Stunden jetzt im Shrubbery Nightingale Park, lauschen der
Musik und genießen die atemberaubende Sicht auf den
Kanchenjunga, den höchsten Berg Indiens und den
dritthöchsten Berg der Welt.
Kurze Zeit später tritt eine Gurkha-Tanzgruppe auf und
überrascht uns mit fröhlichen Tänzchen. Bei
dieser Gelegenheit werden wir auch gleich noch mit mehreren bangladeshi
friends und indian families abgelichtet :-)
Was mich wirklich auch erstaunt ist, dass hier sehr angenehme Touristen
anzutreffen sind. Ich habe erst eine wirklich peinliche Gruppe
bestöckelschuhter und mit Saris bekleideter US-Amerikanerinnen
gesichtet.
05.05.2007
Voilà: Wir sitzen in einem lustigen Zug nach Patna. Gerade
kam ein verschrobener in orangen Tüchern gekleideter
langhaariger Hare-Krishna-Jünger mit kleinen Becken durch's
Abteil und sang. In unserem offenen Sleeperabteil sitzen 11 Leute und
wir kleben ordentlich an den Vollplastiksitzen. Zu unseren
Füßen liegt ein großer schwarzer Kasten
und ich vermute, dass es sich um einen Sarg handelt und dort
konsequenterweisee eine Leiche drin ist, schließlich fahren
wir nach Varanasi, wo die Inder ihre Toten in den Ganges
schmeißen.
Gestern Abend waren wir noch Spaghetti und Pfannekuchen essen
(zumindest ich), zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass es kein
indisches Essen gab. Es war köstlich! Heute früh
gingen wir ein letztes Mal die Hänge Darjeelings runter und
der Ausblick war fantastisch. Oh diese Berge!!! Unten angekommen
stiegen wir in den nächstbesten Jeep und fuhren nach Siliguri.
Neben mir saß ein sehr netter Mann namens Sandam aus Assam.
Er arbeitet dort auf einer Öko-Teeplantage und hat mein
Genderbild wieder ein bisschen ins rechte Licht gerückt. Ich
fragte ihn nämlich auch danach, ob denn keine Männer
in den Plantagen arbeiten. Doch doch. Aber die Männer
bevorzugen halt die "laid-back" Arbeit. Wenigstens eine ehrliche
Antwort. Es folgten weitere obligatorische Themen à la
Hitler, Merkel, Auto- und Bierindustrie und Franz Beckenbauer.
In Siliguri stiegen wir in ein Tuk-Tuk ähnliches
Gefährt und knatterten zum Bahnhof von New Jalpaiguri. Wie es
die Taube von rechts aussen geschafft hat, auf Jans linkes Hosenbein zu
scheissen ist mir nach wie vor ein großes Rätsel. Im
Zug werden gerade Keyboards feilgeboten. Jan will mir gleich eins
kaufen, wenn es denn batteriebetrieben ist.
Es steigen immer mehr Leute ein. Langsam wird es eng. Der Gurkenmann
kam gerade vorbei und hat allein bei uns schon mindestens 10 Gurken
verkauft. Sauber! Ich möchte, dass in der DB auch
Gurkenmänner angestellt werden, die uns Gurken für 6
Cent verkaufen.
Gegenüber von uns sitzt ein Mann mit Krücken. Sein
Bein sieht gar nicht gut aus, er kann es nur mit Hilfe seiner
Hände bewegen. Ich habe selten so eine große
Rücksicht- und Anteilnahme gesehen! Der Herr wird von seinen
Landsmännern geradezu herzlichst umsorgt, dabei haben sie ihn
doch gerade erst kennen gelernt! Sie besorgen ihm Wasser, Snacks,
tragen ihn zur Toilette und erzählen ihm Witze (vermutlich,
kann ja nix verstehen, aber sie lachen immer).
Jan hat hitzebedingt leichte Gedächtnisprobleme und verliert
haushoch beim Stadt-Land-Fluss-Biersorte-Spiel :-) Er schiebt alles auf
die Hitze und den völlig weggetretenen sabbernden Kerl neben
ihm.
Als es endlich dunkel wird und langsam die Betten hochgeklappt werden
versuchen wir auf den Plastikbezügen klebend das ein oder
andere Auge zu schließen. Mir gelingt es
mäßig, ich wache auf als ich etwas rauhes warmes in
der Hand halte und erschrocken feststellen muss, dass es der dreckige
Fuss meines Gegenüber-Inders ist, der wohl offenbar seine
Schlafposition geändert hat...
Nach einer halben Ewigkeit erreichen wir Patna.
06.05.2007
Dieser Ort ist der pure Horror. Es stinkt
überall nach Pisse und Scheiße, hier sind noch mehr
Leute als sonst überall schon und ich will sofort hier weg! Da
unser Zug trotz verspäteter Abfahrt eine halbe Stunde
früher hier ankommt, haben wir geschlagene 7,5 Stunden an
diesem entzückenden Ort zu verbringen. Man sollte ja meinen,
dass um solch nächtliche Stunde endlich mal Ruhe eingekehrt
ist, aber was uns in der Bahnhofsvorhalle/kloake und auf dem
Bahnhofsvorplatz erwartet ist halt nicht der Wohlfühlbahnhof
Emden und mit Worten kaum zu beschreiben.
Hunderttausende von Leuten liegen da zwischen ihren Exkrementen auf dem
Boden rum. Die können doch nicht alle auf Zügen
warten, oder??? Jan und ich setzen uns dann erst einmal auf ein Gleis,
wo es zwar auch nach Pisse riecht, aber immerhin nicht nach anderen
Dingen. Meine Laune und Gelassenheit begeben sich drastisch schnell in
dreistellige Minusbereiche und ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, wie wir die nächsten Stunden hier aushalten
sollen.
Auch Jans Versuche, Uno oder Stadt-Land-Fluss-Biersorte zu spielen
schlagen nicht an. Ein Ekelanfall nach dem nächsten
überkommt mich und ich sehe keinen anderen Ausweg, als
irgendwo eine billige Absteige zu suchen. Also packen wir unser Lager
wieder zusammen und laufen ein weiteres Mal durch die Menschenmassen.
Die nächsten Schlafmöglichkeiten in
Bahnhofsnähe sind bereits belegt.
Unser Scheiß-Reiseführer ist mal wieder besonders
nutzlos uns so vertrauen wir uns einem dürren
Fahrradrikschafahrer an, der uns durch die Nacht strampelt. Er gibt
sich wirklich alle Mühe, uns eine günstige Unterkunft
zu besorgen - wir haben nämlich mal gerade noch 500 Rs...und
natürlich sind alle ATMs dieser Stadt ausser Betrieb. Nach
etlichen Fehlschlägen und genervten aufgeweckten
Hotelwächtern, mittlerweile dämmert es bereits, aber
ganz egal, Hauptsache weg von diesem Bahnhof, finden wir das "Diamond
Hotel".
Der Name hat übrigens nicht unbedingt etwas mit der
Beschaffenheit dieses Unterbringungskastens zu tun! Unser Rikschafahrer
brüllt mindestens 10 mal irgendwas in den Hausflur hinein bis
endlich ein verschlafener Typ aus dem Fenster guckt.
Währenddessen können wir die Ratten und Iltisse
beobachten, die von Fenstersims zu Fenstersims springen... Endlich ein
JA! Da oben ist tatsächlich noch ein Zimmer frei. Also
Gepäck aufgeschnallt (Jans Rucksack wird wie
selbstverständlich vom Rikschafahrer geschleppt, mir wurde
nicht mal aus der Rikscha geholfen, ich werde trotz bereits
fürchterlicher Lage der Situation noch angepisster) und durch
ein unheimliches Treppenhaus zur Rezeption. Blut?
Wir können das Zimmer mit den
ersten weichen Betten seit Ankuft auf 400 Rs runterhandeln und fallen
erschöpft auf die widerlichen Laken, Jugendherbergsschlafsack,
Du wirst irgendwann noch heilig gesprochen, Moskitonetz, Du auch!
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder besser aus,
schön allerdings nicht. Froh und k.o. steigen wir in den
nächsten Zug und zuckeln durch die Landschaft. Nach
fünf Stunden kommen wir an unserem nächsten Ziel
Varanasi an.
Varanasi! Dieser Ort ist der pure
Wahnsinn!!! Zwar sind wir aus unserem Puja Guesthouse noch nicht
rausgegangen, macht aber auch gar nix. Nach dieser endlosen Strapaze
jetzt nur noch das total Glück. Weiche Betten, Balkon mit
Gangesblick, Restaurant auf Dachterrasse... Es ist kaum zu glauben, was
für ein Ausblick sich hier vor uns breit macht.
Es weht ein kühles Lüftchen, die Affen springen von
Dach zu Dach und wir haben gerade leckerstes Essen zu uns genommen. Den
einzigen Programmpunkt, den wir uns heute vorgenommen hatten lautete
Geld tauschen und Zugtickets besorgen für den Rest der Reise.
Genialerweise geht all das auf unserer grandiosen Terrasse. Das ist
also für den Moment: Glück, Glück,
Glück! Es sieht zauberhaft, märchenhaft, sagenhaft
aus.
07.05.2007
Die erste Nacht im Puja Guesthouse ist
fantastisch! Wir schlafen weich, ruhig, wohltemperiert und
glücklich AUS!
Wir gehen frühstücken und müssen den ganzen
Tag lang bis zum Abendbrot nichts mehr essen. Ein Hoch auf die drei
Liter Fett und Öl in jedem indischen Gericht. Wir haben keine
Eile, also waschen wir ein wenig Wäsche, die
Handtücher haben mittlerweile nämlich den Geruchsgrad
eines Pumakäfiges angenommen, was einen beim Abtrocknen leicht
irritiert.
Danach besorge ich uns rosa Klopapier und Ozon-behandeltes Wasser,
welches wir mit Eisentabletten ebenfalls rosa färben. Nun
geht's los! Raus in die Stadt! Keine zehn Meter gegangen werden wir
auch gleich schon von einem Mann abgefangen, der natürlich
weder einen Silk-Shop noch ein Boot oder eine Massage im Angebot hat.
Er folgt uns auf Schritt und Tritt und spielt den Tourguide.
Als wir das "Burning Ghat" erreichen, wird er kurzzeitig von einem
jungen Mann abgelöst, der uns jetzt gerne etwas über
dieses Ghat erzählen möchte, er will dafür
auch gar kein Geld, denn er macht das einzig und allein für
sein Karma. Lange dürfen wir dort allerdings nicht bleiben,
wir müssen vor einer alten Dame, die Teil dieses abgekarterten
Spiel ist, niederknien, uns auf den Kopf packen lassen und Geld spenden
für die Scheiterhaufen.
Da wir nicht den Inhalt unserer gesamten Portemonnaies
ausschütten, sind sie uns nicht mehr so gut gesonnen, wir
gehen jedoch trotzdem zurück zum "Aussichtspunkt", klingt
jetzt ein bißchen fehl am Platze, aber ich weiß
nicht, wie ich es sonst nennen soll. Dort kommt Nerv-Män I
gleich wieder auf uns zu und ich versuche es höflich mit "I'd
prefer not to talk too much". Zunächst klappt es.
Wir blicken hinab auf die brennenden in bunten Tüchern
eingewickelten leblosen Körper, auf die Männer, die
die nächste tote Person zwischen Holzscheite betten und sie
fünfmal umrunden. Geweint werden darf hier nicht, sonst wird
die Seele gestört und gelangt nicht ins Nirvana. Auf einem
Boot wird eine Leiche mit Steinen beschwert und in der Mitte des Ganges
verabschiedet. Ich bin beeindruckt. Ich hätte mir eine ganz
andere Reaktion erwartet. Dass mir schlecht wird, dass ich mir sowas
nicht angucken kann. Doch es macht alles einen stimmigen, einen
würdevollen Eindruck.
1000 unbeantwortete Fragen kommen auf: Wenn doch die Seele in einem
anderen Körper wiedergeboren wird, solange bis sie endlich
selbst ins Nivrana gelangt, können denn dann
überhaupt neue Seelen entstehen? Und wer entscheidet
eigentlich über den Karmapunktestand? Wieviele Leichen liegen
bzw. treiben im Ganges umher? Lösen sich nicht irgendwann die
Steine und die Leichen schwimmen an der Wasseroberfläche? Wie
kann man denn in so einem Fluss noch schwimmen gehen?
An dieser Stelle muss ich Helge Timmerberg aus seinem Buch "Shiva" zitieren:
"Der arme Ganges. Unter uns wird er
gnadenlos mit industriellen Abwässern vollgeschissen. In den
Bergen ist er so sauber, dass man aus ihm trinken kann. Zwischen dem
Himalaya und Varanasi reiht sich Fabrik an Fabrik, und die stellen
seine Heiligkeit auf die Probe. Ist er unvergiftbar? 1,2 Milliarden
Inder glauben es. Nein, nicht ganz.
Man muss die Moslems abziehen, trotzdem bleibt es eine beeindruckende
Zahl. Achthundert Millionen Hindus können nicht irren. Jeder
von ihnen will mindestens einmal in seinem Leben bei Varanasi in den
Ganges. Und sei es nur, um dort zu sterben. Was heißt nur?
Bei Varanasi hat der Fluss seine sündenreinigenden
Kräfte dermaßen potenziert, dass er die Seelen der
Verstorbenen direkt aus dem Kreislauf der Wiedergeburten katapultiert.
Tag für Tag werden deshalb an achtzig Ghats, wie die heiligen
Badestellen genannt werden, die Leichen des Subkontinents dem Fluss
übergeben. Nicht nur als Asche, so komplett verbrennen sie
nicht. Knochen, Schädel, verkohlte Fleischreste treiben im
Fluss neben verwesendem Vieh und Fäkalien.
Addiert man die organischen zu den industriellen Abfällen,
kommen unterm Strich 1,5 Millionen Kolibakterien pro 100 ml Wasser
dabei heraus. Nochmal: 1,5 Millionen. Wasser, in dem man baden will,
sollte aber pro 100 ml nicht mehr als fünfhundert Bakterien
enthalten. Der Unterschied ist beträchtlich, trotzdem
strömen täglich achtzigtausend Pilger nach Varanasi,
um in der Giftbrühe zu baden."
Wir gehen weiter, Asche und Hitze werden zuviel und wir verabschieden
uns von Nerv-Män, der jetzt natürlich Geld will,
welches wir ihm nicht geben wollen. Er beteuert, dass er auch gerne
andere Dinge entgegennimmt (z.B. Digitalkameras) und wir opfern unseren
einzigen postkarteneinsatzfähigen HIV-Test-Kugelschreiber.
Weiter geht's entlang am Gangesufer und den Ghats, durch die schmalen
Altstadtgässchen (hallo Sansibar!) mit ihren Kühen,
Ziegen, Hunden, Exkrementen und Verkäufern.
Hello Sir! How are you? Where are you from? What's your name? Come and
visit my silkshop/massage/boat... buy postcards.
Es wird uns zu heiß und wir entschließen uns, einen
kurzen Stopp im Internetcafé zu machen, Varanasi
für einen Moment zu verlassen und zu gucken, was daheim geht.
Wie so oft bin ich enttäuscht. Bis auf drei treue Seelen
lässt niemand von sich hören,
grüßen, kein Eintrag im Gästebuch.
Jan ruft per Skype seinen Papa an, der sagt, das sei doch kein
richtiges Wegsein mit dem ganzen Internet und Skype und so. Dann muss
ich an das Ehemaligentreffen vom SCI denken, wo ich viele
ältere Herrschaften treffen durfte, die damals per Schiff nach
Indien fuhren, wochenlang, um dort Workcamps zu besuchen und zu reisen.
Das hat mich schwer beeindruckt. Demnach ist das Reisen heute sowieso
nicht mehr dasselbe. Rein ins Flugzeug, raus und zakk: neue Welt. Es
ist alle ganz einfach, sagen auch die Aeronauten. Ich möchte
weiterreisen. Möchte mit offenem Mund staunen und meinen Augen
nicht trauen. Möchte Fragen stellen und Infragestellen.
Gerade, als Hermann fragt, ob denn der Strom auch manchmal
ausfällt geht in der nächsten Minute das Licht aus
und unsere Indienpause ist vorbei.
Wir spazieren weiter durch die Stadt und als wir in der Nähe
unseres Guesthouses einen Silkshop entdecken, in den man uns nicht
hineinnötigt, treten wir ein. Der Shop wird für uns
eröffnet und man zeigt uns zahlreiche Stoffe, Schals,
Tücher. Ich kaufe ein oranges Flatterhemd und wir versprechen,
morgen nochmal reinzuschauen, obwohl der arrogante Herr die Khmer-Seide
als "crap silk" bezeichnet hat.
Den Rest des Abends verbringen wir auf
der Dachterrasse. Der Wind steht allerdings Burning Ghat
mäßig recht ungünstig sodass der Rauch
dafür sorgt, uns den Appetit leicht streitig zu machen.
In der Nacht erkälte ich mich dank des massiven
Stromschwankungen unterlegenenen Ventilators und wache mit einer
schmerzenden linken Gesichtshälfte auf.
Um 5.01 Uhr klingelt der Wecker und wir stehen nur unter
höchster Selbstdisziplin auf, denn schließlich
wollen wir ja mal wieder einem Sonnenaufgang beiwohnen und die Menschen
dabei beobachten, wie sie in den Ganges hüpfen. Seine Chance
witternd kommt schon der erste Bootsbesitzer und will uns für
eine horrende Summe einpacken. Als wir weitergehen, nimmt er uns
für die Hälfte mit, steckt uns in sein
Bötchen und paddelt los. Wieder ein Zitat von Helge Timmerberg:
"Er sieht aus, wie ein Inder aussehen
muss, wenn sie bei Touristen kein Misstrauen wecken wollen. Graue Hose,
weißes Hemd, kurze Haare, Schnurrbart. Sein Englisch ist
recht ordentlich. "Als erstes nehmen Sie mal ein Bad." sagt er. "Wo?"
"Na im Ganges." Ich schaue den Mann an, als wolle er mir bei lebendigem
Leib die Haut abziehen. Er scheint die Botschaft zu verstehen und
schlägt deshalb eine Bootsfahrt als Alternative vor.
Das machen alle Touristen, sagt er. Sie dauert zwei Stunden. Da
können Sie schöne Fotos machen. "Ich fotografiere
nicht." "Sie fotografieren nicht?!" "Nein, ich fotografiere nicht." Das
bringt ihn ein bisschen aus dem Takt. Er tut mir fast leid, aber
niemals werde ich hier ein Boot besteigen. Bei 1,5 Millionen
Kolibakterien pro 100 ml genügt ein Spritzer und ich habe die
Pest. Die will nicht nicht. Ich will Tee."
Wir streiten uns um den besten
Kameraplatz :-) - ja Herr Barkemeyer, mal wieder haben Sie mit Ihrem
Reiseführer die reinste Wahrheit prophezeiht - und
genießen die frühmorgendliche Temperatur. Irgendwann
dockt ein Blumenverkäufergoodkarmaboot an und zwingt uns,
brennende Teller und Blumen in den Ganges zu werfen und mich, mir einen
pinken Punkt auf die Stirn zu schmieren. Die Christen zwingen die
Hindus doch auch nicht auf dem Rhein sich Aschekreuze auf die Stirn zu
malen, oder?
Ich will hier auf gar keinen Fall die Christen als gute Menschen
darstellen, hallo Missionare - wieso habt Ihr halb Afrika
verrückt gemacht und jetzt kommen die Afrikaner nach
Deutschland und beten in meinem Büro, um mich zu missionieren,
na tolle Wurst, wirklich prima gemacht, Ihr Schlawiner!
Natürlich müssen wir für dieses tolle Ritual
(good luck, good karma) großzügig unsere Rupien
zücken. Ich glaube, ich werde irgendwann Buddhistin.
Der Buddhismus gefällt mir bislang noch am besten.
Schöne bunte kitschige Tempel, keine Kasten und lauter
grinsende Persönchen, ist doch sympathisch. Vegetarierin bin
ich ja schon und aus Kambodscha weiß ich ja auch, dass es mit
dem Tiere töten nicht ganz so ernst genommen wird, solange
jemand anderes das erledigt. Also kann ich beruhigt weiter Tiere mit
Pif Paf ansprühen. Mal schauen!
Nach unserer Bootstour gehen wir erstmal wieder pennen und starten
gaaanz langsam in den Tag. Es ist verdammt heiß und nachdem
die Geschäfte im Silkshop abgeschlossen sind, werden wir zu
einer Tasse Chai eingeladen. Anschließend stiefeln wir
entlang der Ghats und kehren schließlich in der German Bakery
ein und verzehren braune Butterbrote.
Viel mehr schaffen wir temperatur- und krankheitsbedingt nicht, aber
das macht gar nichts.
Erschöpft liegen wir frisch geduscht und mit einer
Tüte Lays Chips im Bett und freuen uns über das erste
fettarme Essen seit Tagen!
Auf der Dachterrasse liegt Hundescheiße, der Rauch weht
hinüber und der Silk-Män dieses Guesthouses fragt uns
zum 10. Mal, ob wir denn nicht doch noch seinen bescheuerten Silkshop
besichtigen wollen. Aaarrgh. Im Essen sind Menschen- und Hundehaare und
ich bin bereit, Varanasi zu verlassen. Auf den Dächern ist ein
wahres Affentheater!
09.05.2007
Unser letzter Varanasitag gestaltet sich ähnlich träge wie der vorherige. Meine Erkältung wird größer und schmerzhafter und zu allem Überfluss ist mir speiübel. Aber ich kann langsam rumlaufen und es könnte alles viel schlimmer sein. Der Schneider, der mir zwei Oberteile nähen sollte hat dies getan, allerdings nicht ganz so, wie Madame es haben wollte. Also nochmal ändern und weiter durch die Gassen schlendern. Wir tauchen mal wieder im Internet ab, um kurz Lärm, Gestank und Hitze zu entweichen und meiner Mama zum Geburtstag zu gratulieren.
Den Rest der Wartezeit bis zum Zug nach
Agra verbringen wir bei den wirklich ekligen und nach Schweiß
stinkenden Männern auf der Terrasse unserer Unterkunft, ich
zwänge mir ein Käsetoast rein und ein
überaus freundlicher älterer - zumindest
älter als ich - Deutscher spricht uns an. Wir verquatschen uns
ein bisschen und eilen samt Gepäck Richtung
Hauptstraße, die aufgrund der Verwinkelung der
Gässchen nicht so leicht aufzufinden ist.
In dem ganzen Gehupe und Chaos müssen wir feststellen, dass
uns keine motorisierte Rikscha zum Bahnhof fahren wird. Jans
Nervosität steckt mich ein bisschen an, also nehmen wir zwei
Fahrradrikschas (seine durchaus nachvollziehbare Theorie, dass wir dann
schneller sind, überzeugt mich).
Schon haben wir uns in den Wirren des Straßenverkehrs aus den
Augen verloren, das Gefährt, in dem ich sitze rammt einen
Radfahrer und kollidiert mit anderen Rikschas (oder Rikschen?) und
hält irgendwann an, weil sich ein Teil am Vorderreifen
gelöst hat. Der Himmel ist schwarz und ich frage mich, ob wir
es noch vor dem Regen schaffen werden.
In der Ferne erblicke ich Jans noch gelbes T-Shirt und sende einen
Weltfrieden rüber, um zu bedeuten, dass alles klar ist. Doch
nichts ist klar! Im nächsten Augenblick färbt sich
der Himmel plötzlich hellbraun und ein kräftiger Wind
ist am Start. Ich kriege schon allein aufgrund der
ungewöhnlichen Himmelsfarbe leichte Panikanfälle.
Augenblicklich werden wir mit ordentlichen Sandböen
gepeitscht, ich bange um meine Kontaktlinsen, zu sehen ist nix mehr,
außer von den Dächern fallende Holzlatten, die mich
unweigerlich in die Brace-Position wechseln lassen. Wir werden den Zug
verpassen, wir werden auch den nächsten Zug nach Mumbai
verpassen und wir werden erschlagen von einem Wellblechdach genau wie
die anderen Toten auch - hoffentlich vorher vom Sand gereinigt - im
Ganges enden. Oh nein!
Die Weiterfahrt ist unmöglich und ich werfe weitere
beunruhigte Blicke auf meine Flic-Flac-Uhr, soweit das mit meinen
Sandkasten-unter-den-Kontaktlinsen-Sehfähigkeiten
überhaupt noch möglich ist. Der freundliche und
tapfere Rikschafahrer bietet mir seinen Schal an, ich lehne dankend ab
und wenige Minuten später setzen wir den Weg durch das
Staubinferno fort.
Wir erreichen rechtzeitig den Bahnhof, Jan und ich halten erleichtert
Händchen - obwohl wir das ja wegen Respekt und so sonst hier
nicht tun - und kämpfen uns durch die indischen Massen, die
alle Unterschlupf im Bahnhof gesucht haben und uns solidarisch
zulächeln. Und tatsächlich: bevor der große
Regen einsetzt, sitzen wir schon im Zug!!! Stockdreckig, aber froh!
Der dicke Inder gegenüber startet schnell ein
Gespräch mit Jan. Jan versteht nicht viel und ich
übersetze ihm, was letztlich darauf hinaus läuft,
dass ich mich weitestgehend mit Mr. Government-Män unterhalte.
Nebendran sitzt noch eine Familie sowie ein - muss ich es
hinzufügen - komischer Franzose, der sich an keiner
Konversation beteiligt. Ich erbarme mich und spreche ein bisschen
Französisch mit ihm, vor allem, um einen Blick in seinen
Lonely Planet werfen zu dürfen, was zumindest den
Regierungsinder für kurze Zeit zum Schweigen bringt.
Die Unterhaltung mit dem Inder macht jedoch eindeutig mehr Spass. Ich
frage ihn, ob seine dicke Digitalarmbanduhr denn auch Horoskope
anzeigen kann, was er leider verneint. Da sich im weiteren Verlauf
dieses Themas herausstellt, dass wir beide Wassermänner sind,
zücke ich mein Wassermann-Jahreshoroskop
2007-Büchlein, welches ich mir in Darjeeling kaufte und wir
lesen begeistert unser Wochenhoroskop. Weil er dieses Buch bereits in
der Bibliothek gelesen hatte, kennt er weitere
verheißungsvolle Stellen.
Da unser Essen wohl vergessen wurde - jawohl, hier kann man auch Essen
bestellen im Zug - legen wir uns langsam in die Kojen und wackeln durch
die Nacht. Meine Nase läuft wie ein Marathonweltmeister, aber
die Schmerzen und Übelkeit sind weg. Stand ja auch im Horoskop
:-)
Des Morgens treibt mich Herr zehn-Tage-in-Indien-Franzose mit seinen
2000 Plastikttüten gänzlich in den Wahnsinn. Erst vor
ein paar Tagen sagte ich scherzhaft zu Jan, dass diese sich gerade in
seinen Händen befindliche Knistertüte ideal
für nächtliche Zugfahrten eignete.
10.05.2007
Noch nie nie nie war mir so
heiß. Niemals, ich schwöre! Doch zunächst
der Reihenfolge nach. Irgendwann endet auch das
Plastiktütengewurschtel unseres französischen
Reisenden sowie die Zugfahrt und wir steigen aus dem Zug hinein in eine
Autorikscha, die uns zumindest fast geradewegs in unser neues Zuhause,
die Sauna, bringt.
Nach ein paar Minuten fällt der Strom aus, Jan zischt los, um
Geld zu ziehen, da die Eintrittspreise für's Taj Mahal
horrende sind und wir ja auch viele Mini-Marmor-Taj-Mahals kaufen
wollen. Und ich liege krank, regungslos, schwitzend auf unserem
heißen Bett. Nach ein paar heißen Duschen
beschließen wir, dass es zum schlafen sowieso viel zu
heiß ist und wir doch mal auf eine in unserem
Reiseführer angepriesene Dachterrasse gehen könnten,
von wo aus man einen fantastischen Blick auf das Taj haben soll.
Da die Dachterrasse leider auf einem Dach ist, sind wir nach Ankunft
fix und fertig. Wir bestellen im Schatten der Coca-Cola-Sonnenschirme
zwei Pepsis und sind mäßig beeindruckt von diesem
Bauwerk da drüben. Jan erblickt joggende Menschen davor!
Spinnen sie, diese Inder? Warum sie joggen und dass wir es auch tun
werden, erfahren wir später. Es weht kein Lüftchen,
die Hitze ist unerträglich, wir brauchen einen Ventilator!!!!
Wir versuchen unser Glück in einem Internetcafé,
doch dort dürfen wir keine domains, die auf .de enden und vor
allem nicht gmx.de öffnen.
Als der Strom erneut ausfällt und kein weiteres
Internetcafé mehr unseren Weg kreuzt, entscheiden wir uns
doch für die Version im Bett rumlungern und den Nachmittag
abwarten, in der Hoffnung, dass die Temperaturen sich ein wenig
verringern. Toller Plan. Regungslos darben wir in den Laken und mein
Blut brodelt. Überall an meinem Körper bilden sich
dicke Schweißpfützen in der Größe
von Platzregentropfen, das Atmen fällt schwer, das Sprechen
sowieso. Lieber Gott, mach, dass der Strom wiederkommt und diesen
verdammten Ventilator dreht. Es soll nicht sein. Also quälen
wir uns irgendwann doch durch die Tore des Taj, um mit Millionen von
Menschen dieses Bauwerk zu betrachten. Leider haut es mich ganz und gar
nicht vom Hocker. Sieht ganz schön aus, ja, aber deshalb
dieses ganze Klimborium?
In die Nähe des Innenbereichs
darf man nur barfuß, was uns beinahe die Fußsohlen
verbrennt (an dieser Stelle wird das Geheimnis der Jogger
gelüftet!) und deshalb setzen wir uns auf eine Empore. Sofort
sind wir mal wieder Hauptattraktion für zahlreiche
fotografierfreudige Inder und dürfen mit diversen Familien
posieren. Ich bin geschafft, wir essen noch zu Abend, Jan tritt wieder
in seine nervöse Phase ein, in der er unantastbar und fast
unansprechbar ist und ich bin hauptsächlich kaputt und froh,
dass es morgen schon weitergeht.
Die Nacht geht um, wir frühstücken noch und gehen
dann los. Jan wird immer noch nervöser, obwohl wir ja schon
alles organisiert haben und ich bin sauer auf die Rikschafahrer, die
ständig nur "Good morning, Sir" sagen. Das Letzte, was Jan
jetzt gebrauchen kann ist eine Freundin, die kategorisch all diese
frauenverachtenden Transportmittelfahrer ignoriert und die Fahrt zum
Bahnhof und damit das Erreichen des Zuges unnötig
hinauszögert.
Als ich den nächsten Rikschafahrer darauf anspreche, ob er
denn wohl keine Frauen mitnimmt, oder warum er nur den Sir
grüßt einigen wir uns auf einen good price und er
sagt mir schließlich auch good morning. Er fährt uns
zum Bahnhof. Unser 24 Stunden Zug hat eine halbe Stunde
Verspätung. Ich kaufe mir noch
Glitzer-Schneekugel-Taj-Mahal-Schlüsselanhänger und
Jan rennt nervös auf und ab. Derweil nähert sich ein
Spanier und fragt, ob wir spanisch sprechen. Er sieht total verzweifelt
aus und ich lasse meine dicke soziale Ader raus. Der Typ ist
über 30 und wirkt völlig unreif. Er ist seit vier
Tagen in Indien und bis jetzt ist alles ganz ganz schrecklich.
Mit unserer Anwesenheit und diversen Tricks aus der
Pädagogenkiste sorgen wir dafür, dass es sein erster
guter Moment in diesem Land wird. Wir nehmen ihn mit in unser Zugabteil
und unterhalten ihn. Er beginnt endlich zu lächeln. Ich packe
mein UNO-Spiel aus und sofort kommen neugierige Mitfahrer herbeigeeilt,
um das Spiel abzuchecken. Eltern erklären es ihren Kindern und
schon spielt das ganze Abteil UNO. Ja, es kommen sogar aus allen Ecken
des Zuges Kinder mit Gesellschaftsspielen an und der erste
deutsch-spanisch-indische-Zugkindergarten ist eröffnet.
Es herrscht eine Superstimmung und auch wenn wir uns sprachlich nicht
verstehen, so doch auf eine ganz besonders tolle Art und Weise. Es
vergehen Stunden und wir alle haben einen riesengroßen
Spaß. Jan ist übrigens nicht mehr nervös,
puh!
Ariel, der Spanier, gibt mir ein paar Seiten aus seinem Sudoku-Buch und
da ich Neuling bin, hält es mich für weitere Stunden
beschäftigt. Und schon gibt es leckeres Abendessen!
In der Nacht mache ich kaum ein Auge zu,
was daran liegt, dass die drei Männer, die in meiner
unmittelbaren Nähe liegen, schnarchen wie bescheuert, und das
leider, bevor ich schlafe. Selbst System of a Down ist nicht laut
genug, um dieses Gegrunze zu übertönen.
Zwischenzeitlich bin ich so kirre, dass ich laut "Oh Mann" und
ähnliche sinnlose Ausrufe tätige, aber niemand kommt
auf die Idee, davon aufzuwachen, geschweige denn, mit dem Lärm
aufzuhören. So wackeln wir durch die Nacht und erreichen
endlich, mit dreistündiger Verspätung um 12 Uhr
Mittags Mumbai bzw. Bombay. Bombay gefällt mir besser, deshalb
benutze ich fortan auch dieses Wort. Dort setzen wir uns vom
mittlerweile sehr anstrengenden und anhänglichen Spanier ab
und beziehen unsere neue Unterkunft am Hafen.
Bombay ist groß und macht mir im ersten Moment einen guten
Eindruck. Die Temperatur ist wieder im Überlebensbereich
anzusiedeln. Trotzdem müssen wir nach einem
köstlichen Mittagessen im Bagdhadi erstmal eine Mütze
Schlaf nachholen. Danach beginne ich, auf Vorsichtsmaßnahmen
bei der Nahrungszufuhr zu verzichten und kaufe grandios anmutende
Fruchtsäfte mit Eis am Straßenrand. Sie sind
saulecker und ich bin glücklich. Es scheint zu klappen -
vielleicht aufgrund Kambodschas? Jan hat nämlich seit
über einer Woche eine etwas fixe Verdauung, während
bei mir alles easy ist, dabei essen wir doch ständig das
selbe.
13.05.2007
Am nächsten Morgen versuchen wir, ein günstigeres
Hotel zu finden, was nicht klappt, also bleiben wir im Carlton Hotel.
Mensing und Steinberg gehen sich zu diesem Zeitpunkt ein bisschen auf
die Nerven, vor allem Steinberg hat keinen Bock mehr, Reiseleiterin zu
sein. Das Problem kriegen sie in den Griff, indem Mensing mit ein wenig
mehr Eigeninitiative in den Tag tritt. Zunächst besorgt
Steinberg jedoch Bootstickets nach Alibag, denn sie will zum Strand.
Weiter im Tagesgeschehen. Wir fahren mit dem Taxi zum Crawford Market,
Jan kauft überteuerte aber gut riechende Gewürze,
danach landen wir bei einem Stoffladen. Ich kaufe mir eine unglaublich
geniale Tagesdecke die farblich so gar nicht in mein Schlafzimmer passt
und Jan bestellt vier Seidenhemden. Bei der Auswahl der Stoffe spiele
ich die Hellseherin und zeige den Ladenbesitzern, welche Farben mein
Freund auswählen wird. Ich habe zu 100% Recht und bin
angesteckt vom Seidenhemd schneidern lassen.
Meine eigene Entscheidungsfreude lässt mal wieder zu
wünschen übrig und so tippt Jan einen Stoff an und
ich sage nach gründlicher
Stoffbahn-an-Körper-vorm-Spiegel-Begutachtung ja! Auch ich
bekomme ein Seidengewand. Ich bin gespannt. Als nächstes
fahren wir zum Wäschewaschort Bombays und gucken uns die
fleißigen Handwäscher an.
Next stop: Shopping Mall. Diese ist
klimatisiert und man wird im Eingang wie im Flughafen durchgecheckt.
Die Mall gefällt mir! Wir essen ein Eis und lassen uns die
Haare schneiden. Außerdem erstehe ich einen gigantischen
Topfuntersetzer. Da ich ja meinen Reiseleiterjob gekündigt
habe, liegt es nun an Jan, wie der Tag endet. Er hat die
hängenden Gärten auf dem Plan, unser Taxi wirft uns
allerdings am geschlossenen Planetarium raus. Öh?
Ich kaufe mir noch rasch eine Chili-Gurke bevor wir ins
nächste Taxi steigen, welches uns tatsächlich zu den
hängenden Gärten, die gar nicht hängen, und
drei Millionen Indern bringt. Und wieder einmal stellt sich die Frage:
Wo kommen all diese Menschen her??? Wir schließen den Tag im
Apollo-Restaurant, wo ich das schärfste Gericht des gesamten
Urlaubs zu mir nehme und mit einem Kingfisher Bier auf "unserem"
Balkon. An diesem Abend schaffe ich es endlich, Jan mit all meinen
Erkältungsviren anzustecken.
14.05.2007
Nun husten wir zu zweit und begeben uns des folgenden Morgens, nachdem
wir Cheese Naan essen waren und ich noch ein Mangolassi zu mir nahm zum
Bootssteg 2, wo wir auf ein älteres Ehepaar treffen.
Dieses ist sehr interessiert an uns schlägt beinahe die
Hände über dem Kopf zusammen, als es
erfährt, welche Strecke wir in den letzten zwei Wochen
zurückgelegt haben. (Das wäre vergleichbar mit der
Strecke Flensburg - Moskau.)
Ich versuche es mit "it's a bit crazy" woraufhin die Dame "not just a
bit" entgegnet. Der Herr ist ganz entzückt von unserem
hervorragenden Englisch und wir rücken ihm Deutschland in ein
gutes Licht. Die Bootsfahrt im klimatisierten Catamaran beginnt und
nach nur einer knappen Stunde erreichen wir Alibag. Dort wartet wie
bestellt bereits ein Tuk-Tuk auf uns und wir fahren ins Unbekannte.
Ziel: Strand und irgendeine Unterkunft. Wir landen irgendwo am
menschenleeren (wie kann das möglich sein???) Kihim Beach, die
erste Unterkunft, die wir uns ansehen, ist ranzig, eklig und teurer,
die zweite geht klar. Wir zahlen für zwei Nächte, was
wir allerdings schnell bereuen, nachdem wir den Strand gesichtet haben.
Denn er ist dreckig und stinkt! Es gibt keinen Schatten, das Meer ist
schwarz und überall liegt Scheiß umher. Aber nun ist
es sowieso erstmal Zeit, Mittagessen zu gehen.
Tolle Idee! Denn in dem gesamten Dorf, welches sich im übrigen
auch fast menschenleer und aufgrund dieser Tatsache ziemlich
gespenstisch präsentiert, gibt es nur ein einziges Restaurant
und das hat leider geschlossen, weil es gerade in Bombay heiratet. Nun
denn. Wir besorgen uns Wasser und Lays Chips am einzigen Kiosk und
gehen pennen, da es ohnehin zu heiss ist. Später machen wir
einen schönen Strandspaziergang, sammeln kleine rosarote
Schneckenhäuser und beobachten, wie sich der Strand und das
Meer von Minute zu Minute mit Indern füllen.
Und wieder: wo kommen sie so plötzlich alle her? Ich besorge
uns ein "Abendessen": 2x Cola, 1x Kokoskekse, 2x
Trinkkokosnüsse und 1x weisse schleimlige geschmacklose
undefinierbare Frucht. Die Sonne geht unter, der Himmel wird dunkel,
das Wasser hört auf, aus dem Hahn zu laufen und mein
Verdauungssystem spielt in genau diesem unpassenden Moment zum ersten
mal verrückt. Entweder ist es die schnelle Rache von Jans
Durchfallviren an meinen Erkältungsviren oder aber es liegt an
dieser unglaublich gesunden und ausgewogenen heutigen
Ernährung. Wir bekommen einen Eimer voll Wasser von einer sehr
herzlichen Inderin und gehen zu Bett. Die Nacht wird nicht nur
temperaturbedingt zur Hölle...
15.05.2007
Am nächsten Morgen bin ich durch. Jan auch und wir wollen nix
lieber als zurück nach Bombay. Pantomimisch und lautmalerisch
geben wir bekannt, dass wir krank sind und zurück in die
große Stadt müssen. Ohne Murren bekommen wir unser
Geld zurück. Glücklich steigen wir in das erste
Tuk-Tuk ein, das unseren Weg kreuzt und fahren nach Alibag. Dorft
kaufen wir Bootstickets und werden mit einem Shuttlebus zum Anleger
gefahren. Zurück in Bombay gehen wir gleich wieder pennen -
man könnte dieses Tagsüberschlafen auch ruhig als
Mittagsschläfchen bezeichnen.
Auf der Suche nach Bananen und Mitbringseln für die
Daheimgebliebenen werden wir gleich zweimal angehauen, ob wir morgen
nicht in einem Bollywoodfilm mitspielen wollen. Scheinbar sprechen sie
jeden europäisch anmutenden hier herumlaufenden Touri an,
trotzdem kommt uns diese Sache erstmal reichlich suspekt vor. Dennoch
klingt es reizvoll und warum auch nicht? Wir können dann
mächtig angeben und lustig wird es sicherlich auch. Tja,
bloß sind wir noch ziemlich angeschlagen, wie sich
spätestens am nächsten Morgen herausstellt.
16.05.2007
Jan kriegt kaum ein Wort raus und ich behalte kein Essen drin. Ich
tendiere zu Imodium, als ich jedoch mit Schrecken feststelle, dass die
Kapseln Gelatine enthalten, ändere ich schlagartig meinen Plan
und beschließe, dann lieber nichts zu essen und einfach
keinen Durchfall mehr zu haben. Um 11 Uhr sollen wir Herrn Polo und
weitere Westerners vor McDonald's treffen.
Vor meinem geistigen Auge spielt sich schon folgender Film ab: indische
Mafiosis setzen uns in einen Bus, vergiften uns, klauen unsere Kameras
und kidnappen uns dann total easily. Wir werden weit vor den Toren
Bombays in einem Verschlag eingesperrt und so lange dort gehalten, bis
genügend Lösegeld gezahlt wird. Ich habe Durchfall
und die lassen mich nicht mal auf's Klo, aua....
Tatsächlich kommt ein Bus, 8 Europäer und ein Inder
steigen ein, wir bekommen auch wirklich Wasserflaschen in die Hand
gedrückt, aber das Gift wirkt nicht sofort. Keiner spricht mit
uns oder sagt uns, wo wir überhaupt hinfahren. Nach Bollywood,
ist doch klar! Nach anderthaltstündiger Fahrt erreichen wir
das Filmstudio, wo wir alle in einen klimatisierten Raum gesteckt
werden (immerhin werden wir keinen Hitzetod sterben).
Noch immer spricht keiner zu uns, was passieren wird, und die paar
vergilbten Filmplakate an den schmodrigen Wänden, pah, kann ja
jeder behaupten, das sei ein Studio. Wir bekommen Mittagessen. Ein
Engländer scherzt, ob es wohl vergiftet ist! Meine Theorie
verfestigt sich ;-)
Ich habe Hunger, also esse ich trotz meines kleinen Problems.
Glücklicherweise bleibt alles da, wo es bleiben soll.
Irgendwann kommt eine Frau und bringt hässliche
Kleidungsstücke. Wir sind nur drei Frauen und ich lasse den
beiden schwedischen Girls erstmal den Vortritt, da ich in den Minirock
sowieso gerade mal mit einem Oberschenkel Platz gefunden hätte
und in dem Kleid mit Körbchengröße A wohl
auch eher wie eine Presswurst ausgesehen hätte...
Wie dem auch sei. Da wir - aha! jemand spricht mit uns! - uns auf einem
Flug von New York City nach Bombay befinden werden, wird meine Jeans -
Gott sei Dank! - als bollywoodtauglich empfunden, lediglich eine
grüne H&M Bluse soll ich noch anziehen. Die Bluse hat
die Konfektionsgröße 34!!!! und passt
dementsprechend NICHT. Trotzdem soll ich sie anziehen und halt nicht
zuknöpfen (habe glücklicherweise ein schwarzes Top
an). Einen schwarzen Blazer soll ich im Arm halten und ein Buch
mitnehmen, fertig. Puh!
Bei Jan wird es schon schwieriger. Das Che Guevara T-Shirt in
Größe S sitzt leicht körperbetont und ist
mehr als bauchfrei, die schwarze Hose spannt nur ein bisschen und der
Reissverschluss geht nicht zu. Schliesslich trägt er ein
weisses Hemd und sieht jetzt wie ein echter Bollywoodstar!
Beim Dreh werde ich mit Aaron direkt hinter die beiden
Schauspielerinnen plaziert und wir unterhalten uns stumm über
Harry Potter, Kambodscha und meine bevorstehende, just erfundene
Hochzeit in Japan sowie Sudoku, welches ich im Flugzeug lösen
darf. Wir bekommen den Hinweis, zu "stiff" zu sein. Also gut, probieren
wir es weniger stiff, was in der Bluse in Größe 34,
es muss nochmal erwähnt werden, etwas schwierig ist.
Jan sitzt aufgrund seiner herausragenden Größe
weiter hinten und schäkert mit der deutschen Flugbegleiterin.
Bis die erste Szene im Kasten ist vergehen Stunden und einige Sudokus.
Aaron liest mittlerweile die New York Times vom 21.07.2006 und unsere
stumme Konversation stockt ein wenig. Pause! Wir dürfen
pinkeln gehen, uns die Beine vertreten.
Währenddessen wird das Flugzeug, welches leicht instabil ist
und von Zeit zu Zeit ein paar Latten herunterfallen lässt,
umgebaut und es müssen nur noch die Statisten zurück,
die im Gang und hinter Mutter und Tochter-Schauspielerin
saßen. Wir sind noch drin. Gegen 19 Uhr ist Ende, es wird
geklatscht und wir bekommen noch Samosas und ein
süßwürziges Gebäckstück,
dessen Namen ich nicht kenne. Auf der Busfahrt zurück in die
City bekommen wir unseren Tageslohn von 500 rs ausgezahlt und sind alle
ziemlich geschafft, aber zufrieden. Lustig war's. Und entführt
wurden wir ja doch nicht!
17.05.2007
Der letzte Tag bricht an. Noch bevor wir aufstehen entfacht eine
große Diskussion über indische Gewürze und
Gewürzmischungen. Jan behauptet seltsame Halbwahrheiten und
ich als informierte Gewürzkennerin - immerhin bin ich ja
anteilige Besitzerin der Flipfloptwinsisters-Gewürzplantagen
auf Sansibar! - bin empört darüber. Nun denn, da wir
offensichtlich kein anderes Thema zum Streiten haben, müssen
halt die armen Gewürze daran glauben.
Jan wird sauer und ich bockig oder umgekehrt und ich mache einen
frühmorgendlichen Stadtrundgang durch Bombay. Mal wieder bin
ich vollkommen überwältigt von diesen Menschenmassen,
die durch die Straßen strömen. Ich laufe entlang
prächtiger Kolonialbauten, passiere den angeblich
schönsten Bahnhof der Welt (er ist wirklich sehr
schön) und kaufe mir dort zwei indische Kochbücher,
um mir zurück im Carlton Hotel die zahlreichen
Gewürze rauszuschreiben, die ich mir nachher noch auf dem
Basar besorgen möchte. Ja, in den Gerichten sind verschiedene
Gewürze drin und es reicht nicht, drei Löffel Garam
Masala ins Essen zu schütten...
Ich packe meine Sachen, wecke meinen Freund und wir gehen in unser
Stammrestaurant "Ideal" frühstücken. Man
empfängt uns breit und freundlich grinsend. Unser cooler
Punk-Scheich ist noch nicht da, schade. Er trägt eine
Sonnenbrille mit Scheuklappen, die mit "Punk" beschriftet sind.
Danach schnappen wir uns ein Taxi, um unsere Seidenkleider abzuholen.
Mein Ding sitzt wie ein Kartoffelsack und wird umgehend
geändert. Bei Jan fällt gleich ein Knopf ab und wir
gehen mit zum Schneider in der übernächste
Straße. Während Jan dort wartet, mache ich mich auf
die Suche nach Gewürzen. Im ersten Laden wird mir der 18fache
Preis dessen genannt, den ich im zweiten Laden zahle...
Dort findet mich Jan mit kiloweise Gewürzen, einem Edding und
Süßigkeiten, die mir von einem alten Mann,
vielleicht der Ladenbesitzer, fortwährend zum probieren
gereicht werden. An ein Mittagessen ist nicht mehr zu denken! Auch Jan
wird mit Köstlichkeiten abgespeist, ich zahle und wir setzen
unseren Weg durch die mit Menschen und Marktständen
gefüllten Straßen fort. Ich hätte gerne ein
rotes indisches Telefon, lasse mir aber sagen, dass dies in etwa so
unmöglich ist, wie eine deutsche Telefonzelle zu kaufen.
Nach dem Chu Bazaar machen wir kehrt, Jan
fährt zurück zum Hotel und ich besorge noch
Kinokarten für heute Abend. Auf dem Rückweg verfolgt
mich ein ein ekliger Mann, der mich heute morgen schon mal angelabert
hat. Er stiert und grinst mich an und nuschelt in
unverständlichem Englisch irgendwelche Sachen wir "I like
you". Ich gehe zu einem Spielzeugstand und bedeute dem
Verkäufer eindringlich, dass er mich bitte bitte retten soll.
Er versteht es, reigt mir zahlreiche Spielzeugautos und zum Dank kaufe
ich zwei Tuk-Tuks und einen Doppeldeckerbus. Der fiese Typ hat mich
aber immer noch im Visier und ich werde ihn auch auf dem Weg
zurück ins Hotel zunächst nicht los. Erst als ich
mittlerweile sehr vehement und genervt mitteile, er solle doch jetzt
endlich mal die Kurve kratzen, verschwindet er. An der
nächsten Straßenecke steht ein Mann, der mir ein
Kind schenken will. Na super! Ich vermisse Jan! Wie wäre der
Urlaub wohl ohne männlichen Begleiter verlaufen?
Überhaupt zeigen sich am letzten Tag immer mehr seltsame
Leute, vornehmlich westliche Urlauber, die total schräg drauf
sind. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir nicht in Goa waren, so
bleibt mein Indienbild und das der Reisenden wenigstens positiv. In
Bombay rennen nämlich arg viele der Sorte Leute rum, die ich
mit meinen ganzen negativen Vorurteilen erwartet hätte. Weiter
im Text.
Noch ein bisschen im Hotel rumchillen, duschen, meinen Lieblingssender
DW-TV schauen, packen und ein letztes Mal indidsche Fettpampe im
"Ideal" essen (sorry, ist nicht so gemeint, liebes indisches Essen, es
schmeckte wirklich immer unglaublich lecker, glaube mir!) und dann ins
Kino! Der Bollywoodfilm erfüllt sein Tanzklischee nicht,
dafür tritt in regelmäßigen
Abständen eine Rockband auf, die sehr für Heiterkeit
sorgt. Der Film läuft in Hindi und handelt von diversen
Liebespaaren, die sich gerade trennen oder zueinander finden.
Ein junges Mädchen muss den Mann ihrer Träume mit
einem anderen Mann im Bett entdecken - Skandal! Sowas ist schon hart.
Der Film plätschert vor sich hin, die Zeit vergeht und
irgendwann ist es halb eins. Taxi Taxi! Dieses fährt uns
durch's nächtliche Bombay zum Flughafen, der, wie nicht anders
zu erwarten, mit unzähligen Indern vollgestopft ist. Ich bin
fix und fertig, kann nicht mehr, will schlafen und in MEIN Bett.
Die Zeit will nicht vergehen, einziger Lichtblick ist Punk-Scheich, der
auch am Flughafen ist, der Flug hat Verspätung und sobald ich
im Flugzeug Platz nehme, schlafe ich erschöpft ein. Der Flug
nach Dubai ist kurz, und auch der zweite Flug zurück ins
geliebte Düsseldorf (Bett!) geht irgendwie rum (Tetris). Das
Gepäck ist komplett, wir steigen in die Regionalbahn und
laufen vom Bahnhof in die Bunsenstraße. Als ich die
Wohnungstür aufschließe, bin ich total begeistert
von meiner Bude - sie ist weder rosa noch türkis und sogar
meine Pflanzen haben weitestgehend meine Abwesenheit überlebt.
Nach einer heißen Dusche falle ich endlich wieder in mein ach
so weiches Bett! Wie nach jedem Langstreckenflug bemerke ich, dass ich
innerlich noch total in Bewegung bin. Und wie nach jeder dieser meiner
Bemerkungen erzählt Jan mir dann seine Indianergeschichte. Als
die Indianer damals zum ersten Mal mit dem Zug fuhren, warteten sie am
Zielort erstmal auf ihre Seelen. Das ist gut. Meine Seele hat gar keine
Zeit, richtig anzukommen. Ich sollte ich wirklich ein bisschen Zeit
geben, der Ärmsten.
Stattdessen fahre ich noch am selben Abend nach Münster, da
der Wecker (!) es aber wieder einmal verbaselt hat, zu klingeln erst
spät. Wir sichten noch Fotos und Videos, sind zufrieden damit
und fallen dann erneut erschöpft ins Bett. Was für
ein Urlaub. Tschüss Indien. Ich hoffe, wir sehn uns wieder!